05.11.2025 Nun bietet die Bundesregierung den in Pakistan auf Visa wartenden gefährdeten afghanischen Menschen Geld an, damit sie auf ihren Anspruch verzichten, in Deutschland ein Leben in Sicherheit führen zu können. 2100 Menschen warten seit Jahren dort, 700 davon haben eine Zusage nach der Menschenrechtsliste und dem Überbrückungsprogramm. Ob alle die E-Mail des Innenministers bekommen haben ist unklar. Das Innenministerium, das nach langer Untätigkeit die für nötig befundenen Sicherheitsüberprüfungen nur zögerlich vornahm ("Die hiesigen Verfahren müssen bis Jahresende 2025 vollständig abgeschlossen sein. Leider ist nicht garantiert, dass alle Verfahren rechtzeitig abgeschlossen werden können."), setzt die Wartenden nun unter Druck und Zeitdruck.
Das Angebot in den E-Mails lautet: Geld für einen freiwilligen Verzicht auf das weitere Aufnahmeverfahren. Die angebotenen Geldbeträge richten sich dabei nach der Größe der Familie. Eine Zahlung sollen sie noch in Pakistan erhalten, einen größeren Betrag nach der Rückkehr nach Afghanistan. Im Fall einer Familie mit vier Kindern werden 2.750 Euro in Pakistan angeboten und anschließend knapp 11.500 Euro in Afghanistan. Das Geld sei für eine Rückkehr nach Afghanistan beziehungsweise "im besonderen Ausnahmefall und vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung" für eine Rückkehr in einen Drittstaat möglich, heißt es in den E-Mails.
In den E-Mails betont das Bundesinnenministerium, das Angebot gilt jeweils nur für die gesamte Familie. "Mit Inanspruchnahme dieser Maßnahmen erklären Sie, dass Sie und Ihre gemeldeten Familienangehörigen aus dem Verfahren ausscheiden." Eine "spätere Wiederaufnahme in das Verfahren ist ausgeschlossen." Bis zum 17.11. müssen sich die Familien entscheiden, ob sie das Angebot annehmen möchten.
Viele der in Pakistan in prekären Verhältnissen lebenden und von Abschiebung bedrohten Afghan*innen verlieren die letzte Hoffnung und sind in Panik.
- Tagesschau 04.11.2025 Afghanistan-Aufnahmeprogramme Geld gegen Hoffnung
Die Bundesregierung versucht nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios mit Geldzahlungen Afghaninnen und Afghanen in Pakistan dazu zu bewegen, auf ihre Aufnahmezusagen zu verzichten. Der Druck auf die Wartenden steigt damit weiter.
In Pakistan und Afghanistan warten weiterhin rund 2.100 Afghaninnen und Afghanen auf eine Ausreise nach Deutschland. Sie alle haben in den vergangenen Jahren im Rahmen unterschiedlicher Aufnahmeprogramme von Deutschland die Zusage erhalten, dass sie einreisen dürfen, weil sie in Afghanistan unter der radikalislamistischen Taliban-Herrschaft nicht mehr sicher sind.
Die Situation der Wartenden ist prekär. Pakistan hatte in den vergangenen Monaten mehr als zweihundert Menschen aus der Gruppe nach Afghanistan abgeschoben. Sie werden dort von Deutschland weiter betreut, müssen sich vor den Taliban aber verstecken. Zuletzt konnten laut Angaben aus dem Auswärtigen Amts zwanzig der Abgeschobenen wieder nach Pakistan einreisen.
Die Wartenden in Pakistan fürchten jederzeit ebenfalls abgeschoben zu werden, auch wenn es laut Aussagen der Bundesregierung eine Zusage der pakistanischen Regierung gibt, dass dies bis Jahresende nicht erneut passieren soll.
Ein Fingerzeig auf das Innenministerium
Im September hatte Außenminister Johann Wadephul das erklärt und zugleich betont, er "erwarte, dass unsere Sicherheitsbehörden diese Zeit effektiv nutzen, damit wir zu unseren Aufnahmezusagen stehen können und gleichzeitig natürlich die Sicherheitsüberprüfungen durchführen können". Dies war ein Fingerzeig in Richtung Bundesinnenministerium. Das ist für die Sicherheitsüberprüfungen in Pakistan zuständig, lässt sich bei der Bearbeitung aber viel Zeit.
So hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) im Mai, kurz nach dem Regierungswechsel, die Verfahren zunächst monatelang ausgesetzt. Seit Herbst laufen sie wieder, gehen aber nur schleppend voran. So konnten seit dem Regierungswechsel erst zwei der Wartenden im regulären Verfahren nach Deutschland einreisen - alle anderen eingereisten Afghaninnen und Afghanen mussten ihre Visa vor Verwaltungsgerichten einklagen. Rund 110 Menschen konnten so in den vergangenen Wochen und Monaten einreisen. Erfolg hatten damit bislang vor allem Menschen aus dem Bundesaufnahmeprogramm.
Frist rückt näher
Warum das Bundesinnenministerium bei den Verfahren kaum Fortschritte macht, ist unklar. Fragen dazu beantwortet das Ministerium nicht. Fakt ist, in den vergangenen Monaten hat sich die Zahl der Wartenden kaum verändert und das Jahresende und damit die von Pakistan gesetzte Frist rückt immer näher. Im aktuellen Tempo ist es schwer vorstellbar, dass die rund 2.100 Verfahren noch abgeschlossen werden.
Das sieht offenbar selbst das Bundesinnenministerium so. In E-Mails, die in seinem Auftrag an Wartende Anfang der Woche verschickt worden sind und die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, heißt es: "Die hiesigen Verfahren müssen bis Jahresende 2025 vollständig abgeschlossen sein. Leider ist nicht garantiert, dass alle Verfahren rechtzeitig abgeschlossen werden können." Was das für die Wartenden bedeutet, wird nicht weiter ausgeführt. Das dürfte allerdings nach den Erfahrungen der vergangenen Monate auch nicht nötig sein.
Geld für freiwilligen Verzicht
Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudio wurden die E-Mails an Menschen geschickt, die eine Zusage nach der Menschenrechtsliste und dem Überbrückungsprogramm haben. Das betrifft noch rund 700 der 2.100 Wartenden. Ob alle diese E-Mail bekommen haben, ist unklar.
Das Angebot in den E-Mails lautet: Geld für einen freiwilligen Verzicht auf das weitere Aufnahmeverfahren. Die angebotenen Geldbeträge richten sich dabei nach der Größe der Familie. Eine Zahlung sollen sie noch in Pakistan erhalten, einen größeren Betrag nach der Rückkehr nach Afghanistan. Im Fall einer Familie mit vier Kindern werden 2.750 Euro in Pakistan angeboten und anschließend knapp 11.500 Euro in Afghanistan. Das Geld sei für eine Rückkehr nach Afghanistan beziehungsweise "im besonderen Ausnahmefall und vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung" für eine Rückkehr in einen Drittstaat möglich, heißt es in den E-Mails.
Das Bundesinnenministerium hat auf Anfrage entsprechende Angebote bestätigt, weitere Fragen dazu allerdings nicht beantwortet.
Zusätzlich zu den Geldzahlungen wird "organisatorische Unterstützung bei der Ausreise aus Pakistan" angeboten. Dabei geht es etwa um die "Beschaffung und Übernahme der Kosten für Exit Permits", um Pakistan zu verlassen, "die Sicherstellung der Reisefähigkeit durch Abschluss laufender medizinischer Behandlungen" und eine "Finanzierung des Transports". Außerdem soll bei der Ankunft in Afghanistan eine Unterkunft, Verpflegung sowie eine medizinische Versorgung für drei Monate garantiert werden.
Betroffene müssen in kurzer Zeit entscheiden
In den E-Mails betont das Bundesinnenministerium, das Angebot gilt jeweils nur für die gesamte Familie. "Mit Inanspruchnahme dieser Maßnahmen erklären Sie, dass Sie und Ihre gemeldeten Familienangehörigen aus dem Verfahren ausscheiden." Eine "spätere Wiederaufnahme in das Verfahren ist ausgeschlossen." Bis zum 17.11. müssen sich die Familien entscheiden, ob sie das Angebot annehmen möchten.
Anwälte berichten, dass sie "viele panische Anfragen" dazu erreichen. Die Menschen, die teilweise seit zwei Jahren warten, müssen jetzt in kürzester Zeit entscheiden, ob sie das Geld nehmen, während die Anwälte keine sicheren Ratschläge geben könnten - denn eine ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob die deutschen Zusagen nach der Menschenrechtsliste und dem Überbrückungsprogramm rechtlich verbindlich sind, wird es vor Ablauf der Frist voraussichtlich nicht geben.
31.10.2025 Erfolgreiche Klagen Weitere Afghanen mit Aufnahmezusage in Deutschland
Die Betroffenen stellt das vor ein Dilemma. Sie alle sind vor den Taliban geflohen und haben auf die deutschen Aufnahmezusagen vertraut. Dieses Vertrauen dürfte während der langen Wartezeit zwar erschüttert worden sein. Viele wissen auch, dass die Bundesregierung angekündigt hat, so viele Zusagen wie möglich zurückzunehmen. Dennoch setzen viele ihre Hoffnung weiterhin auf Deutschland. Hinzu kommt, dass viele Wartenden laut Berichten über kaum noch Geld verfügen.
Mit dem neuen Angebot stellt sich für sie jetzt die Frage: Sollen sie doch einen Neuanfang in Afghanistan wagen, trotz der Herrschaft der Taliban und der möglichen Gefahren. Oder sollen sie weiter auf ein deutsches Visum warten, trotz der langwierigen Verfahren und der konkreten Gefahr, dass ihnen in wenigen Monaten die Abschiebung nach Afghanistan droht und sie dort dann, möglicherweise ganz ohne deutsche Hilfe, wieder neu starten müssten.