Afghanistan-Aufnahmeprogramm: "Kein politisches Interesse" mehr an Aufnahme von 640 Gefährdeten

11.12.2025 Ein Teil der in Pakistan wartenden Menschen aus Afghanistan kann nicht mehr auf eine Aufnahme in Deutschland hoffen. Dobrindt entscheidet und lässt GIZ Emails an 640 gefährdete afghanische Menschen schicken, die seit Jahren in Pakistan warten: 

Den Menschen in zwei Aufnahmeprogrammen wird in den nächsten Tagen mitgeteilt, "dass kein politisches Interesse an ihrer Aufnahme mehr vorliegt". Mit diesen dürren Worten kündigte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Sonja Kock, an, dass 640 Afghaninnen und Afghanen nicht kommen dürfen.

"Nach einer weiteren detaillierten Prüfung wurde beschlossen, dass die Grundlage für eine Aufnahmezusage für Deutschland nach §22 des Aufenthaltsgesetzes nicht besteht." Ein konkreter Grund für den Widerruf wird in dieser Nachricht nicht genannt. Die Sprecherin des Innenministeriums in Berlin, Sonja Kock, bestätigte, dass sich damit nur noch 90 der verbliebenen 220 Ortskräfte auf eine Aufnahmezusage berufen können. (DW)

Jetzt ist klar: Nach Deutschland werden sie nicht weiterreisen. In einem Schreiben der Bundesregierung heißt es: Bis zum 9. Dezember sollten sie ihre Unterkünfte, in denen sie von der GIZ betreut wurden, verlassen. (FR)

Tatsächlich fühle sich die Ablehnung für manche wie ein Todesurteil an. In Pakistan können sie nicht bleiben, zurück nach Afghanistan zu gehen, sei keine Option. „Die Bundesregierung tut so, als könnten sie in irgendwelche Drittstaaten gehen. Welche sollen das sein? Kein Land reißt sich um Menschen aus Afghanistan.“ Eine konkrete Begründung für die Ablehnung der verbliebenen Afghanen gibt es bislang nicht. Dobrindt selbst hatte vor Monaten etwaige Sicherheitsbedenken als potenziellen Vorbehalt genannt. Die Ortskräfte allerdings hätten zahlreiche Sicherheitsüberprüfungen hinter sich. „Es gibt kaum besser überprüfte Menschen..." (FR)

„Eiskalt zeigt Alexander Dobrindt, was er von Humanität und Menschenrechten hält: nichts ... Ehrlich ist, dass Dobrindt diese Politik der Härte und Kälte am Tag der Menschenrechte verkündet. Für die neue Regierung ist dieser schändliche Umgang mit Menschen in Lebensgefahr eine moralische Bankrotterklärung.” (Karl Kopp, Pro Asyl)

aktualisiert 12.12.2025:

Berlin – Sie kämpften gegen die Taliban, unterstützten Nato-Kräfte, halfen beim Wiederaufbau. Jetzt liegen zwischen ihnen und einem neuen, sicheren Leben 6000 Kilometer Luftlinie – und ein deutsches Versprechen. Das wurde jetzt endgültig gebrochen. Hunderte ehemalige afghanische Ortskräfte, die seit Jahren in Pakistan festsitzen, dürfen nicht nach Deutschland kommen. Die Bundesregierung setzt damit wohl ein Zeichen für eine immer härtere Migrationspolitik.

Die Afghanen hatten vor der Machtübernahme der Taliban für die Bundesregierung gearbeitet, die meisten waren direkt oder über gemeinsame Initiativen für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig. Im Sommer 2021 zogen die USA und Deutschland ihre Truppen überstürzt aus Afghanistan ab. Das chaotische Ende einer gescheiterten, 20 Jahre währenden Militäroperation. Als die Taliban das Land überrannten, sagte die Bundesregierung den afghanischen Ortskräften deutlich: Wir holen euch raus.

Tausende strandeten danach mit ihren Familien in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, leben dort seitdem im Verborgenen. Jetzt ist klar: Nach Deutschland werden sie nicht weiterreisen. In einem Schreiben der Bundesregierung heißt es: Bis zum 9. Dezember sollten sie ihre Unterkünfte, in denen sie von der GIZ betreut wurden, verlassen. Einen Tag vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte.

Afghanen dürfen trotz Versprechen nicht nach Deutschland: „Entwicklung mit Beginn der Merz-Regierung“

„Das ist an Zynismus kaum zu überbieten“, sagt Eva Beyer von der Initiative Kabul Luftbrücke, die sich für die gestrandeten Menschen in Islamabad einsetzt, im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media. „Die Entwicklung ist ja mit dem Beginn der Merz-Regierung schon länger abzusehen. Aber jetzt wird nochmal besonders deutlich: Deutschland schottet sich ab.“

Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und anderen Afghanen, denen Deutschland über das Überbrückungsprogramm ursprünglich Sicherheitszusagen gemacht hatte, haben bereits Ablehnungsschreiben erhalten. Den afghanischen Ortskräften indes hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) noch Mitte November Hoffnung gemacht, dass sie bald Visa bekommen könnten. Die Bundesregierung habe „politisches Interesse“ an ihrer Aufnahme. Ortskräfte seien „für uns Personen, für die wir eine nachlaufende Verantwortung sehen“.

Dieser Verantwortung werde die Koalition aus CDU/CSU und SPD nun nicht gerecht, sagt Eva Beyer. „Die Bundesregierung macht reine Symbolpolitik, es geht ihr nicht um vernünftige Entscheidungen. Für die Menschen vor Ort ist das furchtbar“, erzählt sie. Sie bekomme in diesen Tagen viele Nachrichten von Betroffenen. Nachrichten wie diese: „Könnt ihr auf meine Familie aufpassen, wenn ich nicht überlebe?“ Tatsächlich fühle sich die Ablehnung für manche wie ein Todesurteil an. In Pakistan können sie nicht bleiben, zurück nach Afghanistan zu gehen, sei keine Option. „Die Bundesregierung tut so, als könnten sie in irgendwelche Drittstaaten gehen. Welche sollen das sein? Kein Land reißt sich um Menschen aus Afghanistan.“

Eine konkrete Begründung für die Ablehnung der verbliebenen Afghanen gibt es bislang nicht. Dobrindt selbst hatte vor Monaten etwaige Sicherheitsbedenken als potenziellen Vorbehalt genannt. Die Ortskräfte allerdings hätten zahlreiche Sicherheitsüberprüfungen hinter sich. „Es gibt kaum besser überprüfte Menschen. Das wäre doch eigentlich genau die Art von Migration, die sich CDU und CSU wünschen“, so Beyer. Gegen den Beschluss der Regierung will Kabul Luftbrücke mithilfe von Juristen vorgehen, ein Hauch Hoffnung bleibe.

Für Kimia aus Afghanistan hat sie sich erfüllt. Die junge Frau war 2023 nach Pakistan geflohen, vor wenigen Monaten hatte sie im Interview mit unserer Redaktion von ihrer Flucht erzählt. Ihre Aufnahmezusage war jahrelang von den Behörden ignoriert worden. Inzwischen hat sie es als eine von wenigen nach Deutschland geschafft. (Quellen: Kabul Luftbrücke, eigene Recherchen)

 

Zu der heutigen Ankündigung des Bundesinnenministers Alexander Dobrindt, etwa 640 hochgradig gefährdete Menschen aus Afghanistan im Rahmen der Menschenrechtsliste und des sogenannten Überbrückungsprogramms nicht aufzunehmen, sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL:

„Eiskalt zeigt Alexander Dobrindt, was er von Humanität und Menschenrechten hält: nichts. Die Vorgängerregierung hat diesen Menschen nur aus einem Grund die Aufnahme versprochen: Sie haben sich in Afghanistan für Frauenrechte, Menschenrechte und Freiheit eingesetzt. Dobrindt lässt sie nun endgültig in akuter Lebensgefahr in Pakistan zurück. Ihnen droht nun, dass sie in die Hände des islamistischen Taliban-Regimes, den neuen Partnern des Bundesinnenministers, geraten. Ehrlich ist, dass Dobrindt diese Politik der Härte und Kälte am Tag der Menschenrechte verkündet. Für die neue Regierung ist dieser schändliche Umgang mit Menschen in Lebensgefahr eine moralische Bankrotterklärung.”

 

Ein Teil der in Pakistan wartenden Menschen aus Afghanistan kann nicht mehr auf eine Aufnahme in Deutschland hoffen. Das Innenministerium hat entschieden, dass an ihrer Einreise "kein politisches Interesse" mehr bestehe.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Beschwerde eines afghanischen Richters, der ein früher durch Deutschland abgegebenes Aufnahmeversprechen einklagen wollte, hat das Bundesinnenministerium eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Afghaninnen und Afghanen, die im Überbrückungsprogramm sind oder auf der Menschenrechtsliste stehen, werde mitgeteilt, dass kein politisches Interesse mehr zur Aufnahme bestehe, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin mit. In diesen Fällen werde es keine Aufnahmen geben.

Es geht um einen Teil der Afghaninnen und Afghanen, die unter vorherigen Bundesregierungen eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten hatten. Weil die aktuelle Bundesregierung solche Aufnahmeprogramme weitgehend beenden will, stellte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) alle Zusagen erneut auf den Prüfstand. Er gab die Devise aus, dass nur diejenigen einreisen dürfen, deren Aufnahmeversprechen „rechtsverbindlich“ sind.

Entscheidung betrifft rund 640 Menschen

Zahlreiche Urteile nach von betroffenen Menschen aus Afghanistan angestrengten Klagen zeigten, dass Zusagen aus dem von der Ampel-Koalition aufgelegten Bundesaufnahmeprogramm als rechtsverbindlich beurteilt werden, Zusagen über die anderen Programme aber eher als politische Versprechen gesehen werden, die zurückgenommen werden können. Auch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus der vergangenen Woche zu einem konkreten Fall eines afghanischen Richters versteht Dobrindt so. Das höchste deutsche Gericht verpflichtete das Ministerium, über dessen Visumsantrag zu entscheiden - aber nicht, wie die Entscheidung ausfallen soll.

Aktuell warten noch bis zu 1.800 Menschen aus Afghanistan in Pakistan auf die Einhaltung des deutschen Aufnahmeversprechens. Rund 640 von ihnen hatten laut Bundesinnenministerium Zusagen im Rahmen des Überbrückungsprogramms und der Menschenrechtsliste.

 

Rund 1800 Menschen aus Afghanistan hoffen auf eine humanitäre Aufnahme in Deutschland. Zwei von vier Aufnahmeprogrammen werden komplett beendet, heißt es - und auch das Ortskräfte-Programm soll teilweise betroffen sein.

Den Menschen in zwei Aufnahmeprogrammen wird in den nächsten Tagen mitgeteilt, "dass kein politisches Interesse an ihrer Aufnahme mehr vorliegt". Mit diesen dürren Worten kündigte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Sonja Kock, an, dass 640 Afghaninnen und Afghanen nicht kommen dürfen. Sie hatten bislang in Pakistan auf ihre Ausreise nach Deutschland gewartet. Es handelt sich um Menschen, die Verfolgung und Repressalien des Taliban-Regimes in Afghanistan fürchten müssen - und die bisher eigentlich eine Aufnahmezusage der Bundesregierung hatten.

Die wird nun widerrufen, weil die schwarz-rote Regierungskoalition in Berlin die Aufnahmeprogramme "soweit wie möglich" beenden will. So hatten es die konservativen Parteien CDU, CSU und die Sozialdemokraten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Die Versprechen zur Aufnahme von Frauenrechtlerinnen, Anwälten, Journalisten und anderen Oppositionellen über die "Menschenrechtsliste" und die "Überbrückungsliste" aus Afghanistan hatte die vorige Bundesregierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen gegeben. Diese Zusagen, die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan 2021 gemacht wurden, hält Bundesinnenminister Alexander Dobrindt heute für "Altlasten", die er abarbeiten müsse.

Auch Ortskräfte betroffen

Zum ersten Mal ist auch das dritte Aufnahmeprogramm für Ortskräfte betroffen. In der vergangenen Woche haben zum ersten Mal Ortskräfte und ihre Familien, die direkt für deutsche Ministerien oder die Bundeswehr in Afghanistan gearbeitet haben, eine für sie niederschmetternde E-Mail bekommen, so die Hilfsorganisation "Kabul-Luftbrücke". Eva Beyer, Sprecherin der Kabul-Luftbrücke sagte der Deutschen Welle, dass rund 130 Menschen, die Zusagen aus dem Ortskräfte-Programm der Bundesregierung hatten, mitgeteilt wurde, sie werden nicht mehr aufgenommen.

Verschickt hat die E-Mail die bundeseigene Entwicklungshilfeagentur GIZ. Ihr entscheidender Satz lautet: "Nach einer weiteren detaillierten Prüfung wurde beschlossen, dass die Grundlage für eine Aufnahmezusage für Deutschland nach §22 des Aufenthaltsgesetzes nicht besteht." Ein konkreter Grund für den Widerruf wird in dieser Nachricht nicht genannt. Die Sprecherin des Innenministeriums in Berlin, Sonja Kock, bestätigte, dass sich damit nur noch 90 der verbliebenen 220 Ortskräfte auf eine Aufnahmezusage berufen können.