Afghanistan-Aufnahmeprogramm: Keine eindeutigen Zusagen durch Dobrindt (1)

27.11.2025 In einer nicht-öffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses, die von der Grünen-Fraktion beantragt worden war, musste Innenminister Dobrindt zum Afghanistan-Aufnahmeprogramm Rede und Antwort stehen und sich kräftige Kritik anhören. Die Antworten fielen für die Gefährdeten nicht befriedigend aus, obwohl sie Überschriften wie Dobrindt bekennt sich zur Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan oder Deutschland wird laut Dobrindt weitere Afghanen aufnehmen hervorriefen. Weiter setzt er noch nötige Sicherheitsüberprüfungen voraus. Trotz ständiger Niederlagen vor Gerichten vertrat er Auffassungen der Bundesregierung, 

dass die Aufnahme von Afghanen nach Einschätzung der Bundesregierung auch noch Anfang kommenden Jahres möglich sein wird (Zeit)

Die Bundesregierung stuft einige Zusagen für Afghaninnen und Afghanen, die in Pakistan auf eine Aufnahme in Deutschland warten, derzeit als rechtlich nicht verbindlich ein. Das betrifft auch Ortskräfte - also Menschen, die Deutschland bei ihrem 20-jährigen Einsatz in Afghanistan geholfen haben. (Tagesschau)

Weiter berichteten die beiden Medien

... könnten afghanische Staatsbürger mit einer rechtsverbindlichen Aufnahmezusage und einer positiven Sicherheitsüberprüfung nach Deutschland gebracht werden. Alle anderen Betroffenen müssten jedoch davon ausgehen, nicht einreisen zu können. (Zeit)

Dobrindt betonte am Mittwoch vor dem Innenausschuss des Bundestags, dass die Bundesregierung ein "politisches Interesse" an der Aufnahme von früheren Ortskräften aus Afghanistan hat: "Ortskräfte sind für uns Personen, für die wir eine nachlaufende Verantwortung sehen." Auch sie sollen noch eine Sicherheitsüberprüfung erhalten und wenn sie diese "positiv durchlaufen", sollen sie in Deutschland aufgenommen werden. (Tagesschau)

Die Bundesregierung stuft einige Zusagen für Afghaninnen und Afghanen, die in Pakistan auf eine Aufnahme in Deutschland warten, derzeit als rechtlich nicht verbindlich ein. Das betrifft auch Ortskräfte - also Menschen, die Deutschland bei ihrem 20-jährigen Einsatz in Afghanistan geholfen haben.

Für die in Pakistan wartenden Menschen wird derweil die Zeit knapp. Ende des Jahres endet eine von Pakistan gesetzte Frist. Danach droht ihnen die Abschiebung nach Afghanistan. Für die Menschen wäre das eine große Gefahr, sagt Richard Bennett, UN-Sonderberichterstatter für Afghanistan. "Die, die am meisten zu fürchten haben, sind die Menschen, denen Deutschland die Hand gereicht hatte", sagte er im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. ...  "Es geht um eine relativ kleine Gruppe von Afghanen, deren Leben in Gefahr ist und gegenüber denen Deutschland Versprechen gemacht hat." Zumindest bei der Bundesregierung ist er mit seiner Kritik noch nicht durchgedrungen. Das wurde im Innenausschuss deutlich. (Tagesschau)

 

 

Die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan läuft nur sehr langsam. Die Opposition kritisiert Bundesinnenminister Dobrindt. Dieser erkenne seine Verantwortung nicht an.

Deutschland wird in den kommenden Wochen weitere Afghaninnen und Afghanen aufnehmen. Das habe Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in einer Sondersitzung des Innenausschusses mitgeteilt, berichteten mehrere Teilnehmer der nicht öffentlichen Sitzung im Anschluss übereinstimmend. Demnach könnten afghanische Staatsbürger mit einer rechtsverbindlichen Aufnahmezusage und einer positiven Sicherheitsüberprüfung nach Deutschland gebracht werden. Alle anderen Betroffenen müssten jedoch davon ausgehen, nicht einreisen zu können.

In der Ausschusssitzung habe Dobrindt zudem mitgeteilt, dass die Aufnahme von Afghanen nach Einschätzung der Bundesregierung auch noch Anfang kommenden Jahres möglich sein wird. Man bemühe sich zwar, die Aufnahmen noch in diesem Jahr abzuarbeiten, könne dies aber nicht versprechen.

Einreisen nach Deutschland erfolgten zuletzt von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad aus mit Linienflügen. Dort sind die Menschen aus den Aufnahmeprogrammen untergebracht, während sie auf ihre Sicherheitsüberprüfung und die Erteilung von Visa warten. Pakistan hatte der Bundesregierung eigentlich nur bis zum Jahresende Zeit für die Aufnahmeverfahren gegeben. Danach droht den Menschen die Abschiebung nach Afghanistan.

SPD fordert von Dobrindt, Zusagen einzuhalten

Insgesamt hoffen noch mehr als 1.900 Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Aufnahmeprogrammen darauf, nach Deutschland einreisen zu dürfen. Darunter sind auch ehemalige Ortskräfte mit ihren Angehörigen. Sie hatten vor der erneuten Machtübernahme durch die islamistischen Taliban im Jahr 2021 für deutsche Institutionen gearbeitet. Auch besonders gefährdeten Menschen wie Menschenrechtlern, Richtern und Journalisten hatte die damalige Bundesregierung eine Aufnahme in Deutschland zugesichert. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht hingegen vor, die freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme "so weit wie möglich" zu beenden.

Der SPD-Innenpolitiker Hakan Demir berichtete, Dobrindt habe gesagt, dass er sich künftig auch wieder den Einsatz von Charterflugzeugen für die Aufnahme vorstellen könne. Insgesamt sei in der Sache "Bewegung drin", sagte Demir. Es sei wichtig, dass der Bundesinnenminister die von früheren deutschen Regierungen ausgesprochenen Aufnahmezusagen einhalte.

Die Linkenpolitikerin Clara Bünger kritisierte hingegen, die Sitzung sei "wenig ergiebig" gewesen. Dass die Aufnahme so zögerlich laufe und Menschen, die über die sogenannte Menschenrechtsliste eine Zusage erhalten hatten, jetzt nur ersatzweise ein finanzielles Angebot gemacht worden sei, stelle "einen Wortbruch dar, der dem Ansehen Deutschlands schadet", sagte Bünger.

Grünenpolitikerin spricht von "erschütternder" Haltung Dobrindts

Deutliche Kritik kam von den Grünen, die die Sondersitzung beantragt hatten. Aus der Partei hieß es nach der Sitzung, Dobrindt verschleppe die Aufnahmen gefährdeter Afghanen weiter und verweigere dem Parlament Antworten. "Warum Aufnahmezusagen blockiert und Haushaltsmittel zweckentfremdet wurden, hat er nicht beantwortet", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich.

Die Grünenpolitikerin Schahina Gambir sagte, Dobrindt habe eine "erschütternde" Haltung und erkenne seine Verantwortung nicht an. "Wenn auch nur ein Mensch durch die Verantwortungslosigkeit des Ministers zu Schaden kommt, dann wird es nicht reichen, Fehler einzuräumen", sagte Gambir. 

Seit seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister hat Dobrindt die Einreisen aus Afghanistan auf ein Minimum reduziert. Einigen Personengruppen bat die Bundesregierung Geld anstelle der Einreise nach Deutschland. Zuletzt kamen fast ausschließlich Menschen nach Deutschland, deren Aufnahmezusage von einem Gericht als rechtsverbindlich anerkannt wurde. Nach vielen Gerichtsurteilen zeigt sich, dass die Mehrheit der Zusagen auch die aktuelle Bundesregierung rechtlich bindet. Dennoch kamen in den vergangenen Wochen nur rund 180 Menschen nach Deutschland.

 

Die Aufnahme von Afghanen läuft nur schleppend. Die Opposition hält das für unmenschlich. Nun kündigte der Innenminister die Aufnahme weiterer Ortskräfte an - auf Geld für den Einreiseverzicht setzt er aber weiter.

Wie geht es weiter mit der Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen? Bundesinnenminister Alexander Dobrindt betonte am Mittwoch vor dem Innenausschuss des Bundestags, dass die Bundesregierung ein "politisches Interesse" an der Aufnahme von früheren Ortskräften aus Afghanistan hat: "Ortskräfte sind für uns Personen, für die wir eine nachlaufende Verantwortung sehen." Auch sie sollen noch eine Sicherheitsüberprüfung erhalten und wenn sie diese "positiv durchlaufen", sollen sie in Deutschland aufgenommen werden.

Die Bundesregierung stuft einige Zusagen für Afghaninnen und Afghanen, die in Pakistan auf eine Aufnahme in Deutschland warten, derzeit als rechtlich nicht verbindlich ein. Das betrifft auch Ortskräfte - also Menschen, die Deutschland bei ihrem 20-jährigen Einsatz in Afghanistan geholfen haben.

Menschen aus vier Aufnahmeprogrammen warten

In Pakistan warten derzeit noch etwa 1.780 Afghaninnen und Afghanen. Sie alle haben im Rahmen unterschiedlicher Aufnahmeprogramme in den vergangenen Jahren die Zusage erhalten, dass sie nach Deutschland einreisen dürfen. Hinzu kommen noch etwa 200 Menschen, die in den vergangenen Monaten nach Afghanistan abgeschoben wurden und vor Ort weiterhin von der Bundesregierung unterstützt werden.

Die Zusagen stammen aus vier unterschiedlichen Aufnahmeprogrammen, die teilweise unter der Ampelkoalition, teilweise aber bereits unter der Vorgängerregierung von Angela Merkel aufgelegt worden waren.

Gute Chancen auf Visa haben etwa 900 Menschen aus dem Bundesaufnahmeprogramm. Ihre Zusagen gelten als rechtlich verbindlich. Das haben das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in zahlreichen Fällen entschieden.

Finanzielle Unterstützung für Aufnahme-Verzicht

In den kommenden Tagen und Wochen werden weitere Afghaninnen und Afghanen aus diesem Programm nach Deutschland einreisen können - voraussichtlich auch wieder per Charterflug.

Alle anderen etwa 650 Personen, deren Zusagen aus dem Überbrückungsprogramm und der Menschenrechtsliste stammen, werden voraussichtlich keine Visa für Deutschland bekommen. Die Bundesregierung bietet ihnen stattdessen finanzielle und logistische Unterstützung, wenn sie auf eine Aufnahme in Deutschland verzichten und nach Afghanistan oder in ein anderes Land ausreisen.

Bislang haben 62 Menschen das Angebot angenommen. Die "Auswertung weiterer Rückmeldungen" dauere an, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit.

Hinweis auf "schwerwiegende Folgen"

Während einige der Betroffenen auch öffentlich ihre Empörung und Enttäuschung über die Angebote ausgedrückt haben, haben andere bislang nicht reagiert. Sie haben vergangene Woche eine weitere E-Mail bekommen - mit einer neuen Frist bis Donnerstag, 27. November. Die E-Mail umfasst zudem den Hinweis, ihnen würden "schwerwiegende Folgen" drohen, wenn sie bis dahin nicht antworten. Was konkret ihnen droht, wird nicht weiter ausgeführt.

Andere ließen durch Anwälte Rückfragen stellen. Dabei geht es auch darum, wie verbindlich und verlässlich das Angebot ist. Ohne Verbindlichkeit sei der Abschluss einer Vereinbarung "vollkommen sinnlos". Eine Antwort habe es darauf bislang nicht gegeben, berichtete ein Anwalt.

Hinzu kommt: Das Bundesverfassungsgericht muss noch über den Fall eines ehemaligen afghanischen Richters entscheiden, der eine Zusage nach der Menschenrechtsliste hat. Er beruft sich auf Vertrauensschutz. Eine Entscheidung könnte sich auch auf andere Fälle auswirken.

Linke und AfD kritisieren Aufnahme-Verweigerung

Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linken, sieht darin kein verantwortliches Handeln. Sie wirft dem Innenminister vor, sich nicht für die Menschenrechtslage in Afghanistan zu interessieren und auch nicht für die Einzelschicksale der Menschen. Vielmehr gehe es Dobrindt darum, "das schnell abzuarbeiten wie so ein Verwaltungsvorhaben".

Die AfD hatte zuletzt immer wieder Aufnahmen von Afghaninnen und Afghanen pauschal kritisiert. Ihr stellvertretender innenpolitischer Sprecher, Christian Wirth, sagte nach der Ausschusssitzung allerdings: Wenn eine Zusage rechtlich verbindlich gegeben wurde, was im Einzelfall zu prüfen sei, dann "müssen die Menschen aufgenommen werden".

UN-Sonderberichterstatter sieht große Gefahr

Für die in Pakistan wartenden Menschen wird derweil die Zeit knapp. Ende des Jahres endet eine von Pakistan gesetzte Frist. Danach droht ihnen die Abschiebung nach Afghanistan. Für die Menschen wäre das eine große Gefahr, sagt Richard Bennett, UN-Sonderberichterstatter für Afghanistan. "Die, die am meisten zu fürchten haben, sind die Menschen, denen Deutschland die Hand gereicht hatte", sagte er im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Also Menschen, die sich etwa für Frauenrechte, die Justiz oder gegen die Taliban eingesetzt hätten. 

Die Haltung der Bundesregierung nennt er "mehr als enttäuschend" und mit Blick auf die Zusagen sagte er: "Aber am schlimmsten ist, dass einer größeren Zahl Afghanen Versprechen gegeben wurden, und diese Versprechen jetzt gebrochen werden."

Derzeit führt Bennett dazu auch Gespräche in Berlin. Er plädiert dafür, das Thema aus der polarisierten Migrationsdebatte rauszuhalten. "Es geht um eine relativ kleine Gruppe von Afghanen, deren Leben in Gefahr ist und gegenüber denen Deutschland Versprechen gemacht hat." Zumindest bei der Bundesregierung ist er mit seiner Kritik noch nicht durchgedrungen. Das wurde im Innenausschuss deutlich.