04.11.2025 In seinem Newsletter November - 2025 fasst der Flüchtlingsrat NRW zusammen:
- Aktueller Umgang mit syrischen Schutzsuchenden in Deutschland
Rund eine Million Menschen seien bereits nach Syrien zurückgekehrt, so Carla Audo, die für Caritas International als Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Syrien tätig ist, in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 23.10.2025. Allerdings sei fraglich, ob diese Rückkehr freiwillig erfolgt sei. Viele hätten keine andere Wahl gehabt, nachdem internationale Hilfen in manchen Regionen eingestellt worden seien. Aus einer Antwort der Bundesregierung vom 14.10.2025 auf eine Kleine Anfrage der AfD geht hervor, dass seit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien am 08.12.2024 insgesamt 4.633 syrische Staatsangehörige Deutschland verlassen haben (Stichtag: 31.08.2025). Darunter befinden sich 1.872 Personen, die im Rahmen des Bund-Länder-Programms REAG/GARP 2.0 (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme) bei ihrer freiwilligen Ausreise nach Syrien unterstützt wurden und dabei Reisekosten sowie finanzielle Starthilfen erhielten. Zudem gab es 289 freiwillige Ausreisen nach Syrien über landeseigene Rückkehrförderungen einzelner Bundesländer. Bei Ausreisen, die nicht über Förderprogramme liefen, sei lediglich bekannt, dass die Personen Deutschland verlassen haben, jedoch unklar, ob Syrien das tatsächliche Zielland war.
„Grundsätzlich haben Syrerinnen und Syrer im Ausland natürlich ein Recht, in die Heimat zurückzukehren“, erklärt Audo gegenüber der Frankfurter Rundschau. Die Lage vor Ort sei aber noch immer unsicher und erschwere eine Rückkehr erheblich. So leben laut Audo rund 90 Prozent der Menschen in Syrien unter der Armutsgrenze, etwa 16,5 Millionen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Besonders in ehemals umkämpften Regionen wie Ost-Aleppo seien die Zerstörungen der Infrastruktur noch immer massiv. Dort unterstütze die Caritas rund 2.500 Familien mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Unterkünften. Viele Betroffene seien mehrfach vertrieben worden und hätten ihre Existenz verloren. Frauen, Kinder und ältere Menschen litten besonders unter der Notlage. In Homs oder ländlichen Regionen komme es nach dem Sturz des Assad-Regimes weiterhin zu Übergriffen auf Minderheiten, darunter Drusen, Alawiten und queere Personen. Die Machtverhältnisse in Syrien seien unübersichtlich und verschiedene Fraktionen kontrollierten unterschiedliche Gebiete, was die Situation zusätzlich instabil mache. Im Oktober sei es erneut zu Kämpfen zwischen kurdischen Einheiten und Regierungstruppen in Aleppo gekommen. Syrien brauche nun dringend internationale Unterstützung beim Wiederaufbau, betont Audo. Ohne ausländische Hilfe und Engagement werde sich die Lage kaum verbessern.
Syrerinnen stellen in Deutschland nach Afghaninnen die größte Gruppe unter den erstantragstellenden Asylsuchenden dar. Wie aus einer am 08.10.2025 veröffentlichten Statistik des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervorgeht, wurden von Januar bis September 2025 insgesamt 20.010 Erst- und Folgeanträge von syrischen Schutzsuchenden gestellt. Im gleichen Zeitraum hat das BAMF über 13.814 Anträge entschieden. Die Schutzquote betrug 0,5 %. Die Behörde weist darauf hin, dass es sich dabei größtenteils um formelle Entscheidungen, z.B. Fälle, bei denen ein anderer EU-Staat zuständig ist, handelt, da seit dem 09.12.2024 ein temporärer Verfahrensaufschub für Asylanträge syrischer Staatsangehöriger gilt. Dagegen hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits mit Urteil vom 23.05.2025 (A 8 K 5682/24) entschieden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Entscheidung im Fall eines syrischen Asylbewerbers nicht länger aussetzen darf, da die Lage in Syrien nach Auffassung des Gerichts nicht mehr als ungewiss einzustufen sei. Das Syria Justice & Accountability Centre bezeichnete das Urteil in einem Artikel vom 12.06.2025 als möglichen Wendepunkt im europäischen Umgang mit syrischen Schutzsuchenden. Es handele sich um die erste Entscheidung dieser Art innerhalb der EU, die darauf hindeuten könnte, dass Deutschland und möglicherweise auch andere Mitgliedstaaten in naher Zukunft wieder bereit sein könnten, Asylanträge syrischer Staatsangehöriger inhaltlich zu prüfen, anstatt sie weiter auszusetzen. Die Menschenrechtsorganisation warnte davor, dass aufgrund der Versuche einiger EU-Mitgliedstaaten, Syrien als „sicher“ einzustufen und der allgemeinen negativen
Rhetorik gegenüber Migrantinnen mit einer hohen Ablehnungsrate von Asylanträgen syrischer Schutzsuchender zu rechnen sei. Damit steige die Gefahr von Abschiebungen nach Syrien, wo nach wie vor unsichere Bedingungen herrschten.
Anmerkung der Redaktion: Seit Oktober werden regelmäßig Entscheidungen getroffen und es
liegen bereits die ersten Vollablehnungen vor.
Tatsächlich werden die Überlegungen für Abschiebungen nach Syrien wohl konkreter: Die Bundesregierung plant laut einem DW-Artikel vom 24.10.2025 ein Abkommen mit der Regierung in Damaskus, um künftig syrische Straftäterinnen und später auch Personen ohne Aufenthaltstitel nach Syrien abzuschieben. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte an, eine entsprechende Vereinbarung noch in diesem Jahr abschließen zu wollen.