12.11.2025 Sicherheit finden vor den Taliban und ihrer Herrschaft - Das erhoffen sich rund 2000 schon vor Jahren nach Pakistan geflohene Menschen, die eine Aufnahmezusage Deutschlands erhielten und dafür alles in ihrer Heimat zurückließen. Nur kleine Gruppen können sich vor Gericht die Einreise erkämpfen - elf sind heute angekommen. Trotz wiederholter Niederlagen in Gerichtsverfahren bleibt Dobrindt bei seiner Ablehnung. Auch die Androhung von Zwangsgeld lässt ihn unberührt. Geht ja alles zu Lasten der Steuerzahler... Vielleicht sollte er das aus eigener Tasche bezahlen?
Auch ein Brief an Merz bringt keine Wendung.
Sicherheit erwarten auch die vielen seit Jahren nach Deutschland Geflüchteten, die hier aus gutem Grund Asyl erhielten. Denn die Tailban sitzen nun im afghanischen Generalkonsulat und müssen in Pass- und Familienstandsangelegenheiten aufgesucht werden. Die Taliban-Vertreter im Konsulat, akkreditiert, um Abschiebungen besser zu ermöglichen, verfügen dort nun über die Daten der Geflüchteten, die nun für sich selbst und für Angehörige in Afghanistan wieder in Angst leben.
Zu den Themen verschiedene aktuelle Medienbeiträge - der umfassende und fundierte Beitrag des ZDF-Politikmagazins frontal, der auch den Rechtsanwalt vieler Afghanen und eine Sprecherin der Kabul Luftbrücke zu Wort kommen lässt, und Beiträge über die Wiedereröffnung des Konsulats in Bonn.
Sehenswert! ZDF frontal 11.11.2025 Verfolgte Afghanen: Rechtsstaat in Zeiten der Migrationswende
Flugzeuge mit Afghanen aus dem sogenannten Bundesaufnahmeprogramm landen wieder in Deutschland: Jahre der Ungewissheit enden, Familien schließen sich in die Arme - wie zuletzt wieder in Hannover.
Es sind bewegende Szenen, die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) eigentlich verhindern wollte. Stichwort: Migrationswende. Doch mit dem verhängten Aufnahmestopp für Menschen, denen der deutsche Staat bereits eine Zusage erteilt hatte, löste der Innenminister eine Klageflut aus – auf Kosten der Steuerzahler.
"frontal" zeigt, wie sehr der Rechtsstaat in Zeiten der Migrationswende auf die Probe gestellt wird.
- NDR 12.11.2025 Aufnahmeprogramm: Elf weitere Afghanen in Hannover gelandet
In Hannover ist am Dienstagabend ein Flugzeug mit elf Afghaninnen und Afghanen an Bord gelandet. Das hat das Bundesinnenministerium bestätigt. Eigentlich hatte die Bundesregierung das Aufnahmeprogramm ausgesetzt.
In Pakistan warten fast 2.000 Afghanen auf ihre Ausreise nach Deutschland. Eigentlich haben sie die Zusage längst bekommen. Doch die Hilfe stockt. In einem Brief an Bundeskanzler Merz fordern einige nun, das Schutzversprechen einzuhalten.
...In einem Schreiben rufen sie die Bundesregierung auf, das Schutzversprechen endlich einzuhalten und sie nicht den Taliban auszuliefern. "Wir wollten und mussten der Taliban-Herrschaft entkommen, um zu überleben", heißt es in dem Schreiben, das auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. "Wir können nicht zurück nach Afghanistan. Diese Rückkehr würde für viele von uns brutal und gewaltsam enden." Der Kanzler müsse "diese schwierige Situation" in einer Art lösen, "dass wir nicht in Lebensgefahr geraten"...
...Der Brief an Merz thematisiert insbesondere einen Vorschlag aus dem Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt (CSU). Einigen der Menschen aus Afghanistan, die mit einer Aufnahmezusage in Pakistan ausharren, wurde Geld dafür angeboten, dass sie freiwillig aus dem Programm austreten. Dieses Angebot nennen die Betroffenen im Brief "unverständlich und verletzend", es würde ihnen das Gefühl geben, dass ihr Leben "nur eine Summe von Euros bedeutet"...
- Zeit 10.11.2025 Afghanisches Konsulat in Bonn öffnet nach Eklat wieder
Das afghanische Generalkonsulat in Bonn nimmt wieder seine Arbeit auf - möglicherweise mit einem von den islamistischen Taliban entsandten Mitarbeiter. «Das afghanische Generalkonsulat der Stadt Bonn, Deutschland, nimmt seine Tätigkeit wieder auf», heißt es schlicht in einer Mitteilung des afghanischen Außenministeriums auf der Plattform X. Zuvor hatte die Belegschaft des Konsulats ihre Arbeit aus Protest niedergelegt.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte dazu lediglich: «Die afghanischen Vertretungen werden weiterhin durch Personen geleitet, die von der Islamischen Republik vor dem Machtwechsel im August 2021 entsandt und in Deutschland akkreditiert wurden.» Damals hatten die Taliban die Macht übernommen.
Auf die Frage eines Journalisten, ob der aktuelle Generalkonsul jemand sei, der von den Taliban benannt wurde, antwortete der Sprecher: «Die Position des Generalkonsuls ist derzeit nicht besetzt in Bonn.» Das Generalkonsulat Bonn stehe unter der Aufsicht der afghanischen Botschaft in Berlin. Damit jemand den Titel Generalkonsul tragen könne, brauche er die Zustimmung der Bundesregierung. Dies sei im konkreten Fall in Bonn nicht geschehen.
Das Auswärtige Amt steht mit der afghanischen Botschaft zu Statusfragen aller drei afghanischen Vertretungen in Deutschland in Kontakt. Neben der Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in Bonn gibt es noch ein weiteres Generalkonsulat in München.
Ex-Generalkonsul rechnete mit Taliban-Mitarbeiter
Offiziell erkennt Deutschland die in Afghanistan regierenden Taliban nicht an, führte jedoch zuletzt - zumindest auf technischer Ebene - Gespräche mit Vertretern der Islamisten, um weitere Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan zu erleichtern. Auch erlaubte Berlin die Einreise von zwei Taliban-Diplomaten. Nach Angaben des bisherigen Generalkonsuls in Bonn, Hamid Nangialay Kabiri, von Ende September sollte einer von ihnen wohl in Bonn arbeiten. Kabiri und die Bonner Belegschaft hatten deswegen ihre Arbeit niedergelegt. Das Auswärtige Amt wollte damals «zu solchen internen Abstimmungen» keine Stellung beziehen.
Nach dpa-Informationen hat der Ex-Generalkonsul in Deutschland im Oktober Asyl beantragt. Da er sich - auch öffentlich - klar gegen die Taliban-Machthaber positioniert hat, könnte sein Schutzbegehren Aussicht auf Erfolg haben.
Grüne halten Bundesregierung Zugeständnisse vor
Empört über die Entwicklung zeigen sich die Grünen. «Es drängt sich die Frage auf, ob die Bundesregierung sich durch ihre Zugeständnisse an die Taliban selbst erpressbar gemacht hat», sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich. Parlament und Öffentlichkeit könnten erwarten, «dass sie die Vorgänge vollständig offenlegt und den schmutzigen Deal» erkläre.
«Ein Innenminister, der Außenpolitik spielt, und ein Außenminister, der Taliban-Vertreter ins Land lässt, schaffen Chaos statt Sicherheit», kritisierte Emmerich. Während Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Kontakt zu den Taliban suche, um bei Abschiebungen voranzukommen, würden die Afghaninnen und Afghanen, die sich gegen die Taliban eingesetzt hätten, im Stich gelassen. Der Grünen-Politiker bezieht sich mit seiner Aussage auf die Aufnahmeprogramme des Bundes für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan.
In den vergangenen Monaten waren vier Flüge mit afghanischen Staatsbürgern aus den Aufnahmeprogrammen Richtung Deutschland gestartet. Sie waren zuvor für ihre Einreise vor Gericht gezogen, nachdem viele von ihnen Monate oder gar Jahre in Pakistan ausgeharrt hatten.
Schreiben entsetzt Afghanen
In diesem Monat werden noch weitere Einreisen von Menschen mit Aufnahmezusage nach Deutschland erwartet. Erst kürzlich hatte die Bundesregierung einem Teil dieser Menschen Geld angeboten, wenn sie aus dem Programm ausscheiden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in der vergangenen Woche zu dem Angebot: «Ziel ist es, den Personen eine Perspektive einzuräumen, die nicht mit einer Aufnahme in Deutschland rechnen können.»
Afghanen, die das Schreiben erhalten haben, zeigten sich gegenüber der dpa hingegen schockiert und enttäuscht. «Wir haben zwei Jahre in Pakistan verbracht, und jetzt wird uns ein beschämendes und törichtes Angebot unterbreitet, das die Zukunft von uns und unseren Kindern gefährdet», sagte einer von ihnen.
In Bonn hat am Montag das afghanische Generalkonsulat wiedereröffnet. Es wird nach ARD-Informationen von einem Vertreter der radikalislamischen Taliban geleitet.
Man werde ab heute wieder konsularische Dienste für Landsleute anbieten, heißt es in einem Video auf der Internetseite des Generalkonsulats im Bonner Stadtteil Ückesdorf. In naher Zukunft könnten auch neue Pässe ausgestellt werden.
Nach Informationen des ARD-Studios Neu-Delhi, das für die Berichterstattung aus Afghanistan zuständig ist, hat ein Mitglied der radikalislamischen Taliban nun auch die Leitung des Hauses übernommen. Er selbst nennt sich Generalkonsul, wird aber nicht von der deutschen Bundesregierung als solcher anerkannt, die ihn aber dennoch ins Amt gerufen hat.
Zwei Diplomaten aus Afghanistan
Der Mann aus der westafghanischen Stadt Herat ist einer von zwei Taliban-Mitgliedern, die vor kurzem von der Bundesregierung als Diplomaten akkreditiert worden sind, sagt ARD-Korrespondent Peter Hornung.
Nach Angaben von Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) seien sie nun hier, um die Abschiebung straffällig gewordener Afghanen zu beschleunigen. Nach Recherchen des ARD-Studios Neu-Delhi hat allerdings einer die Leitung des Konsulats übernommen und knüpft Kontakte in die afghanische Exil-Gemeinde.
Auswärtiges Amt widerspricht
Das Auswärtige Amt widerspricht: Das Generalkonsulat in Bonn habe derzeit keinen Generalkonsul. Der von Afghanistan bestimmte Kandidat werde erst Konsul, wenn er vom Auswärtige Amt eine Erlaubnis zur Ausübung der konsularischen Funktionen bekommt, eine sogenannte Exequatur. Das sei bisher nicht passiert.
Auch die afghanischen Vertretungen in Berlin und München würden weiter durch Personen geleitet, die von der Republik Afghanistan zumindest vor dem Machtwechsel im August 2021 entsandt und in Deutschland akkreditiert wurden, sagt das Auswärtige Amt. Und: "Das Generalkonsulat in Bonn steht unter der Aufsicht der Botschaft in Berlin."
Die afghanische Botschaft in Berlin leitet aber ein Geschäftsträger, der zwar von der alten Regierung berufen wurde, aber inzwischen offen mit den Taliban kooperiert.
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Besorgnis unter afghanischen Geflüchteten
Für afghanische Menschen in Deutschland ist die Entwicklung ebenfalls besorgniserregend. Viele sind einst vor den Taliban hierher geflüchtet. Nun sehen sie sich mit der Realität konfrontiert, dass die diplomatischen Vertretungen ihres Landes wieder unter der Kontrolle der Taliban stehen:
Wir haben keine andere Möglichkeit. Wir können unsere Angelegenheiten nur hier erledigen. Es ist natürlich besorgniserregend, weil wir vor diesen Taliban geflüchtet sind und jetzt die Botschaft und das Konsulat von den Taliban geführt werden. Aber für normale Leute ist es notwendig. Hamid Ahmadi aus Bonn (Name geändert)
Eine andere Person berichtet: "Ich war nur beim Empfang und habe nichts gesehen. Ich wollte nur fragen, ob sie uns einen Pass geben können, aber sie meinten nein."
Generalkonsul und Mitarbeitende treten zurück
Aus Protest gegen die Übernahme durch die Taliban hatte der bisherige Generalkonsul in Bonn, Hamid Nangialay Kabiri, vor einigen Wochen seine Arbeit niedergelegt. Auch die Belegschaft tat dies geschlossen. Nach Informationen des ARD-Studios Neu-Delhi sind bis zu fünf Mitarbeitende nun aber zurückgekommen und arbeiten jetzt für den neuen selbsternannten "Generalkonsul".
Ex-Konsul beantragt Asyl in Deutschland
In einer Videobotschaft von Kabiri zur Entsendung der Taliban-Vertreter heißt es, die Entscheidung sei inakzeptabel und eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit sensibler Dokumente und Informationen afghanischer Bürgerinnen und Bürger.
Nach dpa-Informationen hat er im Oktober Asyl in Deutschland beantragt. Da er sich - auch öffentlich - klar gegen die Taliban-Machthaber positioniert hat, könnte sein Schutzbegehren Aussicht auf Erfolg haben.
"Landsleute werden informiert"
Die neue afghanische Vertretung in Bonn äußerte sich auch beim Kurznachrichtendienst X. In Deutschland lebende Landsleute würden informiert, dass das Generalkonsulat wieder aktiv ist. Landsleute könnten ab Montag, 25.11.2025, konsularische Dienste erhalten. Um die Dienstleistungen des Konsulats in Anspruch zu nehmen, müsste vorher online ein Termin vereinbart werden.
Kritik und Proteste vor der Eröffnung in Bonn
Vor der Eröffnung in Bonn gab es Proteste. Unter anderem die Bewegung "Seebrücke" [vermutlich richtig: Kabul Luftbrücke] hatte zu Demonstration aufgerufen und forderte, keine diplomatischen Beziehungen mit den Taliban einzugehen. Sie fordert von der Bundesregierung auch, den neuen Generalkonsul Said Mustafa Hashimi des Landes zu verweisen.
- ZDF frontal 11.11.2025 Verfolgte Afghanen: Rechtsstaat in Zeiten der Migrationswende