Aufruf zum Internationalen Tag der Familie: Familien gehören zusammen!

15.05.2025 Pressemitteilung von Pro Asyl, ergänzt durch einen Beitrag aus den News  »Familienleben ist kein Luxus. Es ist ein Menschenrecht.«

Zum Internationalen Tag der Familie kritisiert PRO ASYL die im Koalitionsvertrag angekündigte Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Statt Menschen das Recht auf Familie zu berauben, braucht es dringend Maßnahmen, um die zu langen Wartezeiten für Familiennachzugsverfahren an den deutschen Botschaften zu verkürzen. 

Tausende Frauen, Männer und Kinder in Deutschland leiden unter zerrissenen Familienstrukturen. Das aktuelle Vorhaben im Koalitionsvertrag, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen, verschlimmert ihre Situation:

Das Vorhaben der Bundesregierung verletzt das Grundrecht auf Familie für tausende in Deutschland schutzberechtigte Menschen“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. Es führt zu dauerhaft zerrissenen Familienstrukturen und behindert Integration. Insbesondere Frauen und Kinder werden so verstärkt auf lebensgefährliche Fluchtrouten gezwungen. Schon jetzt sind Familien oft jahrelang getrennt, weil etwa die Wartezeiten an den deutschen Auslandsvertretungen immens hoch sind, führt Alaows weiter aus.

Dabei droht subsidiär Geschützten genauso wie Flüchtlingen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, in ihrem Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben. Auch ihnen ist das Zusammenleben als Familie im Herkunftsland in der Regel nicht möglich. Auch sie haben ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland. Trotzdem will ihnen die Bundesregierung das Recht auf ein Familienleben weitgehend nehmen. Die Ankündigung, dass Härtefälle von der Maßnahme unberührt bleiben, mildert das nicht ab, denn die aktuelle Praxis zeigt, dass kaum jemand von der Härtefallregelung profitiert.

Bereits jetzt schleppende Familiennachzugsverfahren

Herr A., Syrer mit subsidiärem Schutz und in der Beratung bei PRO ASYL, ist verzweifelt: „Was die deutsche Regierung will, bedeutet, dass die Hälfte meines Herzens bei meiner Familie auf der anderen Seite bleibt, in einem Land, in das ich nicht zurückkehren kann und aus dem meine Lieben nicht entkommen können. Seine Frau und drei Kinder warten bereits seit über zwei Jahren auf einen Termin bei der deutschen Botschaft in Erbil zur Antragsstellung für den Familiennachzug. Auch in Beirut, wo die allermeisten Syrer*innen ihre Anträge stellen, beträgt die Wartezeit zurzeit rund zwei Jahre.

Bei den meisten deutschen Auslandsvertretungen betragen die Wartezeiten zur Visumantragstellung für einen Familiennachzug weit über ein Jahr – auch zu Geflüchteten mit einer Flüchtlingsanerkennung. Für afghanische Schutzsuchende ist die Situation besonders schwierig. Die deutsche Botschaft in Kabul ist seit Mai 2017 geschlossen, die Menschen müssen seitdem auf die Botschaften in Pakistan oder Iran ausweichen. Dort beträgt die Wartezeit für sie mindestens ein Jahr (Islamabad) und bis zu zweieinhalb Jahre (Teheran). Diesem nur ersten Schritt der Antragsstellung folgen lange Wartezeiten bei der Bearbeitung des Antrags. In dieser Zeit werden Kinder ohne Elternteile groß, Menschen in Einsamkeit und Sorge krank und im Heimatland Wartende harren in oft prekären bis gefährlichen Situationen aus.

Es braucht dringend mehr Bearbeitungskapazitäten in den deutschen Botschaften und die Möglichkeit, Visumsanträge digital zu stellen. Ebenso sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Visumsanträge auch in Deutschland zu bearbeiten, fordert Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

Aufruf zum Internationalen Tag der Familie: Familien gehören zusammen!

PRO ASYL, terre des hommes, Save the Children und International Rescue Committee veröffentlichen heute mit vielen weiteren Organisationen einen gemeinsamen Aufruf. Darin fordern sie, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zu erhalten, die Verfahren beim Familiennachzug zu verbessern, minderjährige Geschwister nicht zurückzulassen sowie besonders schutzbedürftige Familien besser zu schützen. Der gesamte Aufruf ist hier abrufbar.

Berlin, 15.05.2025

Aufruf zum Internationalen Tag der Familie: Familien gehören zusammen!

Konflikte, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung zwingen Menschen weltweit zur Flucht.
Oft werden Familien dabei auseinandergerissen. Während ein Teil der Familie bereits in Deutschland Schutz finden kann, bleiben Familienmitglieder in Konfliktgebieten oder Flüchtlingslagern auf der Fluchtroute zurück. Eine Rückkehr ist aufgrund der politischen oder humanitären Lage meist unmöglich. Damit bleibt der Familiennachzug nach Deutschland oft die
einzige Möglichkeit, wieder in Sicherheit zusammenzuleben.

Der Wert von Familie sowie der Schutz und die Förderung von Kindern gehören zum Fundament
unserer Gesellschaft. Auch das Völkerrecht (v.a. Art. 8 EMRK, Art. 3, 10 UN-KRK), das europäische Grundrecht (Art. 7, 24 Abs. 2 GRCh) und das deutsche Grundgesetz (Art. 6 GG) schützen das Recht auf Familie und die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls.

Familiennachzug ist eine planbare, integrationsfördernde und rechtssichere Möglichkeit, um Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisengebieten aufzunehmen. Das Vorhaben, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte auszusetzen, stellt einen migrations- und integrationspolitischen Rückschritt dar. Schon nach den aktuellen Regelungen ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auf 12.000 Personen im Jahr stark begrenzt. Ein Aussetzen hätte einen erheblichen menschlichen Preis, jedoch keine signifikanten Auswirkungen auf die Auslastung der Kommunen. Die Erfahrungen seit der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte nach 2016 zeigen zudem: Einschränkungen oder gar die Aussetzung entlasten weder Gerichte noch Behörden, sondern führen zu erheblicher Mehrbelastung durch unzählige Eilverfahren und Verfahren zur Aufnahme im Einzelfall.

Die Aussetzung des Familiennachzugs führt zu langjährigen und schmerzhaften Trennungen von
Familienmitgliedern. Die Trennung von den Eltern und Geschwistern kann bei Kindern erhebliche
psychische Belastungen und Traumata verursachen, die langfristige Auswirkungen auf sie und
das Familiengefüge nach sich ziehen können. Vom Aussetzen des Familiennachzugs wären
insbesondere Frauen und Kinder betroffen, die allein in Konfliktregionen zurückbleiben oder sich
auf gefährliche Fluchtrouten begeben müssten. 

Statt den Familiennachzug einzuschränken, sollte die Bundesregierung die nächste
Legislaturperiode nutzen, um den Familiennachzug effizienter zu gestalten:

  • Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erhalten: Personen mitsubsidiärem Schutzstatus sollten im Hinblick auf den Familiennachzug den Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt werden, da auch bei ihnen EMRK) noch mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) in Einklang steht.
  • Verfahren verbessern: Die Bundesregierung sollte das Recht auf Familiennachzug
    effektiver gestalten. Dazu gehört eine Verbesserung und mehr Transparenz der Verfahren, insbesondere die Verkürzung von Wartezeiten an den Auslandsvertretungen und eine digitale Antragstellung, gerade dort, wo die Anreise zur zuständigen Auslandsvertretung Sicherheitsrisiken mit sich bringt. Ein transparenteres Verfahren und das Absehen von Sprachzertifikaten vor der Einreise kann auch die Behörden in Deutschland sowie die Auslandsvertretungen entlasten.
  • Minderjährige Geschwister nicht zurücklassen: Das Nachzugsrecht sollte auch minderjährige Geschwister umfassen. Derzeit sind sie beim Familiennachzug mit hohen Hürden konfrontiert. Eine Anpassung der Regelungen würde sicherstellen, dass Familien nicht zwischen ihren Kindern wählen müssen und der Familiennachzug für alle erleichtert wird.
  • Besonders schutzbedürftige Familien schützen: Für Familien mit besonders vulnerablen Mitgliedern, etwa mit einer Behinderung, stellen der Familiennachzug und andere sichere Zugangswege oft die einzige realistische Möglichkeit dar, gemeinsam Schutz zu finden. Eine Flucht über gefährliche Routen ist für sie in der Regel keine Option. Bei Menschen mit Behinderungen, besonders Kindern, müssen daher die besonderen Schutzgarantien der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention ernst genommen und uneingeschränkt berücksichtigt werden (vgl. Art. 23 UN-KRK, Art. 7 UN-BRK).

Der Appell wurde initiiert von International Rescue Committee (IRC) Deutschland, Save the
Children Deutschland und Terre des Hommes.
Mitzeichnende Organisationen:  ... 

 

Zum Thema aus den News  »Familienleben ist kein Luxus. Es ist ein Menschenrecht.«

Zwei Männer, zwei Familien, ein gemeinsames Schicksal – geprägt von Krieg, Flucht, Bürokratie und einer zunehmend familienfeindlichen Flüchtlingspolitik in Deutschland. Ihr Schicksal steht exemplarisch für tausende weitere getrennte Familien.

Ali S. ist 40 Jahre alt und stammt aus Syrien. Als Angehöriger einer religiösen Minderheit musste er 2022 vor Bedrohung fliehen und lebt seither in Rheinland-Pfalz. Anfang 2023 erhielt Ali subsidiären Schutz – ein Schutzstatus, der zwar Leben rettet, aber bei dem das Recht auf Familieneinheit seit 2016 massiv eingeschränkt wurde. Seine Frau und drei Kinder (neun, sieben und zweieinhalb Jahre) warten seit mittlerweile 26 Monaten vergeblich darauf, überhaupt einen Antrag auf Familiennachzug stellen zu dürfen. Grund dafür sind die langen Wartezeiten an den deutschen Auslandsvertretungen und die politische Deckelung, dass nur 1.000 Familienangehörige pro Monat zu subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland nachziehen dürfen. Alis’ jüngstes Kind wurde nach seiner Flucht geboren – Ali hat es noch nie gesehen. Er ist physisch in Sicherheit, aber seelisch zerrissen: »Ich habe mein Leben riskiert, um meine Familie in Sicherheit zu bringen – wie kann ich mich sicher fühlen, wenn sie es nicht sind?«

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Daten, Fakten und Hintergründe zum Familiennachzug

Hamed S., 30 Jahre alt und aus dem Jemen, lebt seit Oktober 2021 in Deutschland. In seiner Heimat arbeitete er mit dem Internationalen Roten Kreuz und Ärzte ohne Grenzen. Als er zunehmend durch Kriegsakteure bedroht wurde, musste er fliehen. Seit 2022 ist er in Deutschland subsidiär geschützt. Seine Ehefrau stellte im Juli 2023 über die deutsche Botschaft in Maskat (Oman) ihren Visaantrag – seitdem: Funkstille seitens der Botschaft. Stattdessen etliche Rückfragen und Dokumentennachforderungen der Ausländerbehörde, ein nahezu endloser Papierkrieg. Hamed leistete sämtlichen Forderungen Folge – bis auf einen Mietvertrag, den er gar nicht vorlegen kann, weil er in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt. Trotzdem hat Hamed bis heute keine Perspektive, wann das Verfahren in Gang kommt. Die schmerzliche Trennung belastet ihn seit nun fast fünf Jahren.

»Ich bin müde, erschöpft und psychisch am Ende«, sagt Hamed S. »Ich wache jeden Morgen mit der Hoffnung auf, dass es der Tag sein wird, an dem ich mit meiner Frau leben kann. Aber das Warten ist lang – und die Enttäuschung mein ständiger Begleiter.« Seine Worte sind die Stimme vieler: »Familienleben ist kein Luxus. Es ist ein Menschenrecht. Bitte seht uns – nicht als Akten, sondern als Menschen mit Herzen, die zerbrechen.«

»Familienleben ist kein Luxus. Es ist ein Menschenrecht. Bitte seht uns – nicht als Akten, sondern als Menschen mit Herzen, die zerbrechen.«

Pläne der neuen Bundesregierung verletzt Recht auf Familie

Die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte machen aus dieser humanitären Tragödie eine politische. Die Angst ist greifbar: Dass sich Türen endgültig schließen. Dass Kinder ihre Eltern nie wieder in die Arme schließen können. Dass die Trennung zementiert wird – auf unbestimmte Zeit oder für immer.

Diese Politik signalisiert nicht Sicherheit, sondern Kälte. Sie schafft nicht Integration, sondern Isolation. Und sie verletzt das Recht auf Schutz der Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes und  in internationalen Menschenrechtsstandards im Völkerrecht (Art. 8 EMRK, Art. 3, 10 UN-KRK) und im europäischen Grundrecht (Art. 7, 24 Abs. 2 GRCh).

PRO ASYL sagt klar: Der Familiennachzug ist keine Gnade, sondern ein Menschenrecht. Deutschland darf das Recht auf Familie nicht weiter entkernen. Die Menschen, die hier Schutz suchen, dürfen nicht durch Gesetze zermürbt und durch Warten gebrochen werden.
Statt weiterer Einschränkungen braucht es dringend schnellere Verfahren, die transparent und familienfreundlich sind. Denn hinter jeder Zahl steht ein Schicksal – wie das von Ali S., Hamed S., ihren Frauen und Kindern.