15.10.2025 Von wegen "soziale Hängematte"! Während die populistische Kräfte über mögliche Leistungskürzungen bei Grundsicherung oder anderen Unterstützungszahlungen z. B. bei Ausreisepflichtigen laut nachdenken, zeigt eine heute veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung DIW, dass ein großer Teil der Geflüchteten und anderer Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland seit langem in hohem Maße armutsgefährdet sind. Noch höher ist das Armutsrisiko für Erwerbslose. epd schreibt:
Fast zwei Drittel der Geflüchteten in Deutschland sind einer Studie zufolge armutsgefährdet oder arm. Die am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin zu Einkommensungleichheit und Armutsrisiko kommt auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für Geflüchtete auf ein Risiko von 63,7 statt 42,0 Prozent zwölf Jahre zuvor. Noch höher ist das Armutsrisiko für Erwerbslose: Es stieg zwischen 2010 und 2022 um 16,5 Prozentpunkte von 54,9 auf 71,4 Prozent.
Als Ursache verwies das DIW auf die hohe Inflation der Jahre 2021 und 2022. Die damalige Teuerung habe die Reallöhne und verfügbaren Einkommen in Deutschland „erstmals seit 2013 wieder sinken lassen“. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch) über die Ergebnisse der Studie berichtet.
Bei den Menschen ohne ausländische Wurzeln habe es in den zurückliegenden Jahren beim Armutsrisiko kaum Veränderungen gegeben, stets hätten knapp 13 Prozent als armutsgefährdet gegolten. Bei den Geflüchteten dagegen habe es einen drastischen Anstieg gegeben, in der Spitze im Jahr 2020 hätten fast 70 Prozent unterhalb der Schwelle zur Armutsgefährdung in Deutschland gelebt. „Die gute Nachricht ist: Seit 2020 sinkt die Armutsrisikoquote bei Geflüchteten wieder etwas, was der zunehmenden Arbeitsmarktintegration zu verdanken sein dürfte“, sagte der DIW-Forscher und Studienautor Markus Grabka.
Auch andere Zuwanderer haben dem Bericht zufolge ein größeres Risiko, mit einem niedrigen Einkommen auskommen zu müssen. Das gelte sowohl für Menschen, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, als auch für die nächste Generation, wenn mindestens Vater oder Mutter aus dem Ausland stammen. Bei beiden Gruppen lebe rund ein Viertel im Armutsrisiko.
Ebenfalls stark zugenommen hat die Armutsrisikoquote für Haushalte ohne Erwerbstätige. „Es zeigt sich deutlich, dass Arbeit vor Armut schützt“, erklärte Grabka, der zugleich empfahl: „Um die Einkommensungleichheit und das Armutsrisiko zu senken, sollte die Integration bestimmter Gruppen in den Arbeitsmarkt stärker gefördert werden.“ Auch das Transfersystem müsse reformiert werden, „da sich eine Ausweitung der Arbeitszeit gerade im unteren Einkommensbereich kaum im Geldbeutel bemerkbar macht“.
Als Schwelle zum Armutsrisiko wurde der Studie zugrunde gelegt, wenn jemand über weniger als 60 Prozent des sogenannten Medians der Haushaltsnettoeinkommen verfügt. Der Median gibt dabei genau das Einkommen in der Mitte an, die eine Hälfte verdient mehr Geld, die andere weniger. Für eine Einzelperson habe die Schwelle zum Armutsrisiko für das zuletzt untersuchte Jahr 2022 bei 1.419 Euro gelegen.
Die DIW-Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Ungleichheit bei den Stundenlöhnen deutlich abgenommen hat, „was vor allem der Einführung des allgemeinen Mindestlohns und dessen wiederholten Erhöhungen zu verdanken ist“. Anders verhalte es sich jedoch mit der Ungleichheit der Haushaltsnettoeinkommen, die langfristig zugenommen habe. Am unteren Rand der Verteilung der Nettoeinkommen „zeigt sich ein zunehmendes Armutsrisiko“, stellte das Institut fest. (epd)
Im Folgenden der Bericht der Zeit:
Wer nach Deutschland flüchtet, ist hier laut einer Studie in vielen Fällen einem Armutsrisiko ausgesetzt. Auch bei Menschen mit Migrationsgeschichte ist die Quote hoch.
Ein Großteil der nach Deutschland geflüchteten Menschen ist armutsgefährdet. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Im Jahr 2022 waren es demnach 63,7 Prozent.
2010 lag diese Quote dem DIW zufolge noch bei 42 Prozent. Allerdings sei positiv festzustellen, dass das Armutsrisiko für Geflüchtete zuletzt wieder etwas abnahm. So lag die Armutsrisikoquote 2020 noch bei fast 70 Prozent.
In Deutschland gilt als armutsgefährdet, wer über weniger als 60 Prozent des Medians der Haushaltsnettoeinkommen verfügt. Für eine Einzelperson lag die Schwelle zum Armutsrisiko im Jahr 2022 somit bei 1.419 Euro pro Monat. Insgesamt stagniert die Armutsrisikoquote – auch Niedrigeinkommensquote genannt – laut der Studie seit 2019. Im langfristigen Vergleich seit 1995 stieg sie jedoch.
Probleme bei der Anerkennung von Berufsausbildungen
"Unter Personen mit Migrationshintergrund und insbesondere unter Geflüchteten ist die Niedrigeinkommensquote überdurchschnittlich hoch, während sie bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund seit mehr als zehn Jahren nahezu unverändert ist", schreibt das DIW. So galten zuletzt jährlich knapp 13 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund als armutsgefährdet. Selbst bei Personen, die aus anderen EU-Staaten eingewandert sind, ist die Niedrigeinkommensquote den Angaben zufolge mit rund 26 Prozent doppelt so hoch. Im Schnitt der Gesamtbevölkerung liegt sie bei rund 17 Prozent.
Als Gründe nennt das DIW unter anderem Sprachprobleme oder Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Andere Studien nannten in der Vergangenheit auch rassistische Diskriminierung als Grund für Armut. Dass die Armutsrisikoquote bei Geflüchteten zuletzt gesunken ist, führen die Forscher auf die zunehmende Arbeitsmarktintegration zurück.
Haushalte ohne Erwerbstätige besonders stark gefährdet
Am stärksten armutsgefährdet sind der DIW-Erhebung zufolge Erwerbslose. Hier liegt die Quote bei 71,4 Prozent. Im langjährigen Vergleich stieg sie um 16,5 Prozent an. Laut DIW-Ökonom Markus Grabka zeige sich deutlich, "dass Arbeit vor Armut schützt".
Insgesamt stellt die Studie fest, dass die Reallöhne und die verfügbaren Einkommen in Deutschland zuletzt – erstmals seit 2013 – wieder gesunken sind. Grund dafür sei die hohe Inflation der Jahre 2021 und 2022. Zudem gehe die Schere bei den Haushaltseinkommen weiter auseinander. "Um die Einkommensungleichheit und das Armutsrisiko zu senken, sollte die Integration bestimmter Gruppen in den Arbeitsmarkt stärker gefördert werden", sagte Grabka.