23.07.2025 Für die Berichterstattung gab das EU-Innenministertreffen in Kopenhagen offenbar wenig her. Jedenfalls fand das Treffen kaum Niederschlag in den deutschen Medien.
Neu war die Leitung durch die dänische Ratspräsidentschaft mit entsprechendem migrationsfeindlichen Fokus. Und neu war in diesem Kreis der deutsche Innenminister Dobrindt, der den Ausdruck Return Hubs in den Nachrichten-Sprachgebrauch einführte und das asylfeindliche Lager verstärkte.
Ansonsten waren die Fortsetzung von Abwehr und Abschottung und Abschiebung das Dauerthema, das die EU-Migrationspolitik beherrschen, alles mit der Betonung "mehr Härte".
Kernthema war eine Veränderung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das soll 2026 eingeführt werden und umfasst unter anderem Drittstaatenregelungen, beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine Migrationsdatenbank. Ziel der Veränderungen ist aber nicht die Aufbesserung im Sinne humanitärer Standards. "Es geht darum, die allerletzten Schutzmechanismen, die im GEAS verankert sind, zu kippen", sagt Migrationsforscherin Valeria Hänsel zu watson. Sie ist Referentin für Flucht und Migration bei der Menschenrechtsorganisation Medico. (watson, s. u.)
Konkret ging es dabei um
- die baldige Realisierung der sogenannten Return Hubs - also der Abschiebezentren außerhalb der EU
- die Rückführungsverordnung anstelle der alten Rückführungsrichtlinie: Die EU-Länder sollen Asylsuchende leichter in ein Land außerhalb der EU abschieben können, auch wenn die Migranten keinerlei Verbindung - etwa familiär - dorthin haben (s. dazu auch Pro Asyl vom 08.0.2025 Harte Vorschläge der EU-Kommission: Mehr Haft und Deals mit Drittstaaten)
Im Folgenden Medientexte:
- watson 22.07.2025: Migrationsexpertin zu Innenministerkonferenz der EU: "Dobrindt ist auf Zerstörungskurs"
Die Innenminister:innen der EU-Staaten kommen zusammen, um über Migration zu sprechen. Vor allem geht es darum, möglichst schnelle Abschiebungen umzusetzen. Migrationsforscherin Valeria Hänsel ist alarmiert.
Geht es um Migration, drehen Politiker:innen frei. Drittstaatenregelungen, Aufnahmelager, Frontex, Zurückweisungen, Grenzkontrollen, alles "Lösungsansätze", die selbst mit viel Wohlwollen kaum mit den Genfer Flüchtlingskonventionen harmonieren. Darauf weisen Aktivist:innen, Journalist:innen und Jurist:innen regelmäßig hin.
EU-Staaten arbeiten stets an Wegen, Asylsuchende auf Distanz zu halten. So auch in Kopenhagen. Dort kamen die Innenminister:innen zu einem internationalen Stell-dich-ein zusammen, um über Abschottungsmaßnahmen zu sprechen.
Kernthema war eine Veränderung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das soll 2026 eingeführt werden und umfasst unter anderem Drittstaatenregelungen, beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine Migrationsdatenbank. Ziel der Veränderungen ist aber nicht die Aufbesserung im Sinne humanitärer Standards.
Schutzabbau als System gegen Migration
"Es geht darum, die allerletzten Schutzmechanismen, die im GEAS verankert sind, zu kippen", sagt Migrationsforscherin Valeria Hänsel zu watson. Sie ist Referentin für Flucht und Migration bei der Menschenrechtsorganisation Medico.
Einer dieser Schutzmechanismen ist das Verbot von Willkürabschiebungen. "Noch ist es nicht rechtens, Menschen einfach in Staaten abzuschieben, zu denen sie keinerlei Bezug haben."
Die EU-Kommission hatte bereits im Mai vorgeschlagen, diese Regel zu kippen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt schloss sich dem bei der Konferenz in Kopenhagen an. Doch nur unter der Bedingung eines EU-weiten, gemeinsamen Vorgehens. "Dobrindt befindet sich gegenwärtig auf einem Zerstörungskurs der regelbasierten Europäischen Union", sagt Hänsel.
Verwunderlich ist das für sie nicht. Die rechtswidrigen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hätten längst ein Signal gesetzt. Und zwar, dass eines der einflussreichsten deutschen Länder bereit sei, Europarecht und Völkerrecht zu brechen. "Weitere Regierungen fühlen sich dadurch animiert, ebenfalls das Asylrecht auszusetzen."
Das spiegelt sich auch in abermals formulierten Idee sogenannter "Return Hubs" wider. Dabei handelt es sich um Abschiebelager in Drittstaaten. Eigentlich ein alter Hut. Geplant waren welche in Ruanda, in Albanien und Libyen. Eine Umsetzung hat bisher nicht geklappt. Es scheiterte an Kosten, Gerichten und Komplexität.
EU unterwirft sich autoritärer Neuausrichtung
"Leider wird es die rechtsgerichteten Kräfte der EU kaum davon abhalten, weiter hochgerüstete und menschenunwürdige Abschiebelager zu bauen, selbst, wenn die Abschiebungen daraus nicht funktionieren." Für Hänsel ist das Vorhaben ein Kniefall vor den Rechtsaußen-Politiker:innen, die etwa in Italien und Ungarn in Regierungsverantwortung stehen.
Was bleibt also zur Konferenz der EU-Innenminister:innen zu sagen? Liberale Positionen finden kaum noch Platz, Menschenrechte verlieren ihre universale Gültigkeit und die Flüchtlingskonventionen werden weiter ausgehöhlt.
Das verdeutlichte auch Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau, als er forderte, härter gegen Asylbewerber:innen ohne gültigen Pass vorzugehen. Behörden sollen seiner Meinung nach etwa ihre Handys sicherstellen und durchschauen dürfen.
Beschlüsse aus der Konferenz müssen aber ohnehin dann verschiedene Instanzen durchlaufen, bis sie umgesetzt werden. Ganz unrealistisch dürfte das nach aktuellem Stand aber nicht sein. Ist das Fall, wäre das fatal.
"Mit Riesenschritten bewegt sich Europa dann weiter weg von einer einst als politisch liberal gedachten Europäischen Union hin zum autoritären und rechten Konzept des Europas der Nationen", sagt Hänsel. Das Selbstverständnis eines wertebasierten Bündnisses stünde damit weiter auf der Kippe. Wobei sich hier die Frage aufdrängt, um was für Werte es sich genau handelt.
- Der Kommentar des Deutschlandfunks erhielt den Titel EU-Innenminister verlieren Menschenrechte aus dem Blick
Viele EU-Staaten wollen eine härtere Migrationspolitik und Abschiebezentren in Ländern außerhalb Europas. Auch Deutschlands Innenminister Dobrindt ist dafür. Doch wie die Einhaltung der Menschenrechte dort kontrolliert werden soll, ist völlig offen.
- Tagesschau 22.07.2025: Härtere Migrationspolitik Die EU ist auf Partnersuche
Die EU-Innenminister wollen Migration auslagern - und dabei auf Abschiebezentren in Drittstaaten setzen. Auch aus Deutschland gibt es Zustimmung. Doch die Partnersuche ist schwierig.
Wenn es nach Bundesinnenminister Alexander Dobrindt geht, könnte die Idee der sogenannten Return Hubs - also der Abschiebezentren außerhalb der EU - schon sehr bald Gestalt annehmen: "Es gibt Länder die bereits weitestgehende Pläne haben so etwas zu organisieren", sagte er im Rahmen des Treffens der EU-Innenminister in Kopenhagen. "Ich will das auch für Deutschland nicht ausschließen, dass wir uns bei anderen mit anschließen."
Aus diesen Zentren außerhalb der EU sollen die Abschiebungen von ausreisepflichtigen Personen laut Dobrindt effektiver organisiert werden. "Dazu braucht es Partnerländer, möglichst in der Nähe von Herkunftsländern, die dann mit unseren Vereinbarungen in der Lage sind, abgelehnte Asylbewerber auch zurückzunehmen und heimatnah entsprechend unterzubringen", sagte er.
Vereinbarungen mit Drittstaaten notwendig
Das ist womöglich leichter gesagt als getan - denn an dieser Stelle muss die EU Abkommen mit Drittstaaten treffen, die bereit wären, "Return Hubs" auf ihrem Boden zu errichten.
Zuletzt hatte die EU-Kommission einige Migrationsvereinbarungen etwa mit nordafrikanischen Staaten getroffen, beispielsweise Tunesien, Marokko und Ägypten. Die Länder haben ihren Grenzschutz verstärkt, hindern Fluchtwillige an der Fahrt über das Mittelmeer und bekämpfen Schlepper und Schleuser. Im Gegenzug bekommen sie EU-Gelder.
Abschiebezentren wären ein nächster Schritt - und dafür bräuchte es sicher auch weitere Partner. Dass sich das als schwierig herausstellen kann, erlebte EU-Innenkommissar Magnus Brunner vor Kurzem mit Libyen. In dem von Machtkämpfen zerrissenen Land wurde die EU-Delegation als "unerwünscht" erklärt.
"Migration auf den Tisch legen"
"Das ist nicht einfach, aber es ist notwendig. Wir können uns unsere Geographie nicht aussuchen", erklärte Brunner. Er will "Migrationsdiplomatie betreiben". Wie die aussehen kann? Brunner schlägt vor: "Migration auf den Tisch legen, wenn es auch um andere Themen geht. Wenn es um Handel geht, wenn es um Entwicklungszusammenarbeit geht, wenn es um andere Unterstützungsmöglichkeiten geht."
Eine weitere Bedingung für mehr und schnellere Abschiebungen aus der EU hat Kommissar Brunner im Vorschlag für einen Rückführungsrichtlinie bereits beschrieben: Die EU-Länder sollen Asylsuchende leichter in ein Land außerhalb der EU abschieben können, auch wenn die Migranten keinerlei Verbindung - etwa familiär - dorthin haben.
Einigkeit in Kopenhagen über härtere Gangart
Die allermeisten Innenminister-Kollegen unterstützen in Kopenhagen diese härtere Gangart. Überhaupt gab es viel Einigkeit, wie der deutsche Innenminister feststellte. Deutschlands Rückführungen nach Afghanistan seien "für viele weitere Länder sehr interessant" und "sie überlegen, wie man sich anschließen kann", sagte Dobrindt.
Für Gastgeber Dänemark ist es vor allem ein Signal, dass sich die politische Stimmung in weiten Teilen der EU nun deutlich gedreht hat. "Jetzt sehen wir, dass viele Länder ihre Position geändert haben - zum Beispiel die deutsche Regierung", sagte der dänische Migrationsminister Karre Dybvad. Da sei für die kommenden Monate von entscheidender Bedeutung. "Die deutsche Regierung hat ihren Einfluss und ihre Macht hinter diese neuen und innovativen Lösungen gestellt."
Dass parallel zum Kopenhagener Treffen in Leipzig ein Flieger abgehoben ist, der 43 ausreisepflichtige Personen in den Irak bringt, dürfte diesen Eindruck noch verstärken.