EU-Kommission will sichere Wege nach Europa schaffen und Europa attraktiv machen - für Fachkräfte, nicht für Schutzsuchende

30.04.2022 Die EU-Kommission trat am 27. April mit Vorschlägen zur Migration an die Öffentlichkeit. In einer Pressemitteilung pries sie diese als ambitioniert und nachhaltig. Leider ist damit nur die "legale Migration" erwünschter Fachkäfte gemeint und nicht die lebensrettende Legalisierung der Zukunft Suchenden, die weiter über das Meer gezwungen werden. Diese Auslegung der Eckpunkte wird in der Pressemitteilung deutlich, auch wenn der Wunsch betont wird, damit die "irreguläre Migration" zu begrenzen. Für die Schutzsuchenden, die ihr Leben riskieren, ist es nicht nötig, "Europa für Menschen attraktiv zu machen, die ihre Qualifikationen in das Europa von heute und morgen nutzbringend einbringen können.“  Die Anwerbung gut Ausgebildeter ist nicht neu, sie wird seit langem als Brain Drain verurteilt. 

Es seien "gesetzgeberische, operative und politische Initiativen, die der EU-Wirtschaft nutzen, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten intensivieren und das Migrationsmanagement langfristig verbessern sollen." Benannt wird ganz konkret als "zukunftsorientierte Maßnahme": "Anwerbung von Fachkräften in Branchen wie der Pflege, in denen Arbeitskräftemangel und Arbeitskräftebedarf bestehen."

Innen-Kommassarin Ylva Johansson erklärt dazu: „Jährlich kommen 2 bis 3 Millionen Drittstaatsangehörige auf legalem Weg in die EU, im Gegensatz zu 125 000 bis 200 000 irregulären Einreisen. Legale Migration ist unerlässlich, damit sich unsere Wirtschaft erholt, der digitale und ökologische Wandel bewältigt wird und sichere Wege nach Europa geschaffen werden, bei gleichzeitiger Verringerung irregulärer Migration. Mit dem heutigen Paket vereinfachen wir das Antragsverfahren für Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse in der EU und stärken die Rechte von Aufhältigen und ihren Familienangehörigen. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit einen soliden Weg gefunden haben, Europa für Menschen attraktiv zu machen, die ihre Qualifikationen in das Europa von heute und morgen nutzbringend einbringen können.“

 

Wir dokumentieren dazu im Folgenden die Pressemitteilung und einen Beitrag in nd, das am 29. 4. berichtete.

Pressemitteilung 27. April 2022 Brüssel

Legale Migration: Anwerbung qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern

Die Europäische Kommission legt heute Vorschläge zu einer ambitionierten und nachhaltigen legalen Migration vor. Als Teil ihres umfassenden, im Migrations- und Asylpaket enthaltenen Migrationskonzepts schlägt die Kommission heute gesetzgeberische, operative und politische Initiativen vor, die der EU-Wirtschaft nutzen, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten intensivieren und das Migrationsmanagement langfristig verbessern sollen. Ihr Vorschlagspaket enthält auch spezifische Maßnehmen zur Erleichterung der Integration von Menschen, die vor der Invasion der Ukraine durch Russland fliehen, in den Arbeitsmarkt.

Der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas erklärte dazu: „Auch wenn unsere Mitgliedstaaten gerade mit der Aufnahme von mehr als 5 Millionen Menschen aus der Ukraine befasst sind, bleibt es notwendig, die Grundlagen für ein nachhaltiges und gemeinsames Konzept für die Arbeitsmigration zu legen, um den Qualifikationsbedarf der EU langfristig zu decken. Mit den heutigen Initiativen erkennen wir an, dass sich die legale Migration in allen Phasen positiv auswirkt: sie gibt denjenigen, die einwandern wollen, die Möglichkeit, ihre Situation zu verbessern, und stellt gleichzeitig mehr qualifizierte Arbeitskräfte für die Aufnahmeländer bereit, die wiederum die Wirtschaft für alle ankurbeln.“

Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, fügte hinzu: „Jährlich kommen 2 bis 3 Millionen Drittstaatsangehörige auf legalem Weg in die EU, im Gegensatz zu 125 000 bis 200 000 irregulären Einreisen. Legale Migration ist unerlässlich, damit sich unsere Wirtschaft erholt, der digitale und ökologische Wandel bewältigt wird und sichere Wege nach Europa geschaffen werden, bei gleichzeitiger Verringerung irregulärer Migration. Mit dem heutigen Paket vereinfachen wir das Antragsverfahren für Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse in der EU und stärken die Rechte von Aufhältigen und ihren Familienangehörigen. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit einen soliden Weg gefunden haben, Europa für Menschen attraktiv zu machen, die ihre Qualifikationen in das Europa von heute und morgen nutzbringend einbringen können.“

Ein aktualisierter Rechtsrahmen

Um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten über die rechtlichen Instrumente zur Vereinfachung der Einwanderungsverfahren und zur Verbesserung der Migrantenrechte verfügen, schlägt die Kommission eine Überarbeitung der Richtlinien über die kombinierte Erlaubnis und den langfristigen Aufenthalt vor.

  • Eine Straffung des Verfahrens zur Erteilung einer kombinierten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis würde das Verfahren für Antragsteller und Arbeitgeber beschleunigen und vereinfachen. Anträge könnten sowohl aus Drittstaaten als auch innerhalb der EU gestellt werden, und die Vorschriften zur Gewährleistung von Gleichbehandlung und Schutz vor Ausbeutung würden verschärft.
  • Die Überarbeitung der Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt soll den Erwerb der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten dadurch erleichtern, dass die Zulassungsbedingungen vereinfacht werden. So soll es beispielsweise möglich werden, Aufenthaltszeiten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu kumulieren. Außerdem sollen die Rechte langfristig Aufenthaltsberechtigter und ihrer Familienangehörigen gestärkt werden, beispielsweise durch eine Erleichterung der Familienzusammenführung und der Mobilität innerhalb der EU.

Bessere Abstimmung von Qualifikationen und Bedürfnissen des Arbeitsmarkts

Die Kommission schlägt vor, die operative Zusammenarbeit auf EU-Ebene zwischen den Mitgliedstaaten und mit Partnerländern zu intensivieren. Die Arbeit mit einer Reihe wichtiger Initiativen zur Abstimmung des Arbeitsmarkt- und Qualifikationsbedarfs der Mitgliedstaaten und der Partnerländer ist bereits weit fortgeschritten. Nach dem Start der Fachkräftepartnerschaften im Juni 2021 schlägt die Kommission nun eine Reihe von Schritten zur Umsetzung dieser Partnerschaften vor, um bis Ende 2022 eine Einigung über die ersten Talentpartnerschaften zu erzielen.

Die Kommission schlägt die Einrichtung der ersten EU-weiten Plattform und eines EU-Fachkräftepools vor, um die EU für nach beruflichen Chancen strebende Drittstaatsangehörige attraktiver zu machen, und um Arbeitgebern dabei zu helfen, die benötigten Talente zu finden. Um der dringenden Notwendigkeit Rechnung zu tragen, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Neuankömmlinge aus der Ukraine zu erleichtern, schlägt die Kommission eine Pilotinitiative vor, die bis zum Sommer 2022 in Kraft treten sollte.

Eine zukunftsorientierte Politik im Bereich der legalen Migration

Schließlich prüft die Kommission derzeit weitere Möglichkeiten für eine mittel- bis längerfristige legale Einwanderung in die EU. Die Kommission sieht das Potenzial, sich auf zukunftsorientierte Maßnahmen in drei Aktionsbereichen zu konzentrieren: Pflege, Jugend und Innovation. Ziel ist:

  • Anwerbung von Fachkräften in Branchen wie der Pflege, in denen Arbeitskräftemangel und Arbeitskräftebedarf bestehen,
  • Schaffung von Chancen für junge Menschen, neue Länder zu erkunden und von Arbeit und Reisen zu profitieren, und
  • Förderung des innovativen Unternehmertums in der EU und Investitionen in unsere europäische Technologiesouveränität.

Hintergrund

Zwar entscheiden allein die Mitgliedstaaten, wie viele legale Migranten sie aufnehmen möchten, aber die EU kann sie mit praktischen und operativen Instrumenten unterstützen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die EU einen Rechtsrahmen entwickelt, mit dem die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaaten weitgehend harmonisiert wurden. Eine Evaluierung dieses Rechtsrahmens im Jahr 2019 hat ergeben, dass mehr getan werden könnte, damit der EU-Rahmen für legale Migration einen größeren Beitrag zur Bewältigung der demografischen und migrationspolitischen Herausforderungen der EU leistet. Nach einer breit angelegten öffentlichen Konsultation und im Anschluss an zwei Entschließungen des Europäischen Parlaments im Jahr 2021 wurde die Kommission aufgefordert, eine Reihe von Vorschlägen zur Erleichterung der legalen Einwanderung in die EU vorzulegen, Bürokratie abzubauen, die Harmonisierung zu erhöhen, die Grundrechte und die Gleichbehandlung zu fördern und die Ausbeutung von Arbeitskräften zu verhindern.

Fachkräfte statt Flüchtlinge

Beitrag von Fabian Lambeck, Brüssel in Neues Deutschland am 29.04.2022