23.12.2025 Trotz der Verschärfungen der neuen Bundesregierung erhielten mehr als 100.000 Menschen Visa, um im Rahmen des Familiennachzuges zu ihren engen Familienangehörigen - Ehepartner*in, Kinder, Eltern - reisen zu können, die bereits in Deutschland leben und oft viele Jahre darauf warten, wieder als Familie zusammenleben zu können.
Pro Asyl bringt dazu unter dem Titel Endlich wieder zusammen in den News zwei Geschichten von geglücktem Familiennachzug.
- Zeit 21.12.2025 Familiennachzug: Mehr als 100.000 Menschen kamen 2025 zu Angehörigen nach Deutschland
Im Juli hat die Bundesregierung den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt. Das betrifft besonders Geflüchtete aus Syrien, die in Deutschland leben. Dennoch sind 2025 mehr als 100.000 Menschen über den Familiennachzug ins Land gekommen.
Mehr als 100.000 Menschen sind 2025 im Rahmen des Familiennachzugs zu Angehörigen nach Deutschland eingereist. Bis Ende November seien 101.756 dieser Visa erteilt worden, teilte das Auswärtige Amt gegenüber der Zeitung Welt am Sonntag mit. Die meisten Angehörigen kamen demnach aus der Türkei (fast 15.000), Syrien (rund 13.100), Indien, dem Kosovo und Albanien nach Deutschland.
Die Regelung zum Familiennachzug gilt in den meisten Fällen nur für Ehepartner, minderjährige Kinder, teils auch für Elternteile. In den meisten Fällen kommt der Ehepartner oder die Ehepartnerin von in Deutschland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft nach.
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt
Laut dem Zeitungsbericht bekamen bis Ende November 2025 44.400 Ehepartnerinnen und Ehepartner Visa, um nach Deutschland einzureisen. Zudem kamen rund 37.200 Kinder zu ihren Eltern nach Deutschland und rund 3.500 Eltern zu ihren Kindern. Weitere 16.300 Visa zum Familiennachzug wurden demnach an Ehepartner mit deutscher Staatsangehörigkeit vergeben. Laut Bericht der Welt am Sonntag waren es 2023 noch insgesamt 130.000, 2024 dann 124.000 Visa.
Die Bundesregierung hatte den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte im Juli für zwei Jahre ausgesetzt. Das betrifft vor allem Geflüchtete aus Syrien. Nur in "Härtefällen" sollen subsidiär Schutzberechtigte noch Ehepartner, minderjährige Kinder und im Fall unbegleiteter Minderjährige die Eltern nachholen dürfen. Zuvor durften monatlich bis zu 1.000 Angehörige dieser subsidiär Schutzberechtigten kommen.
Aus den News von Pro Asyl:
Die Hürden sind zahlreich: Familien müssen Monate oder Jahre warten, bis sie einen Antrag auf ein Visum stellen können, Dokumente sind kaum oder gar nicht zu beschaffen. Doch es gibt auch Erfolge. Das Beratungsteam von PRO ASYL erzählt zwei Geschichten von Familien, die es trotzdem geschafft haben und endlich wieder vereint sind.
Ahmad aus dem Jemen konnte seine Familie nach rund zwei Jahren Trennung endlich wieder in die Arme schließen – nach vielen schlaflosen Nächten, in denen er sich um seine Frau und die beiden Söhne im Kriegsgebiet sorgte. Nugusse aus Eritrea war zehn Jahre lang von seiner Familie getrennt, große Teile ihrer Kindheit mussten seine Söhne ohne ihren Vater aufwachsen. Nun sind sie endlich alle in Deutschland und leben sich gut ein.
Ahmad: »Wir alle mussten vor Glück weinen«
Im Jahr 2023 sieht Ahmad keine andere Möglichkeit mehr: Er muss aus dem Jemen fliehen, einem Land, das seit Jahrzehnten von Kriegen und Krisen erschüttert ist. »Der Krieg hat mein Leben und meine Träume zerstört«, erzählt er. Über Ägypten und Sudan flieht er nach Europa und sucht Schutz in Deutschland. Sofort beginnt er hier, sich ein neues Leben aufzubauen. Schon nach einem Jahr ist er in Vollzeit beschäftigt.
Weisung des Auswärtigen Amtes zum Familiennachzug: Die meisten Härtefälle werden ignoriert
Doch die Sorgen um seine Frau Amal und die beiden kleinen Kinder bereiten ihm viele schlaflose Nächte, denn sie leben weiterhin mitten im um sie tobenden Krieg. Ihre Wohnung liegt genau zwischen den Fronten. Amal erzählt ihm am Telefon von häufigen Luftangriffen, unablässigen Stromausfällen und schlechter medizinischer Versorgung für den siebenjährigen Sohn. Der hat einen psychischen Schock erlitten und muss bei den Luftangriffen panische Angst ausstehen.
Im Herbst 2024 wird Ahmad subsidiärer Schutz zuerkannt. Als Amal und die beiden Kinder endlich einen Antrag auf Familiennachzug stellen können, steht die Aussetzung des Familiennachzugs schon kurz bevor. Die Koalition aus CDU und SPD will für zwei Jahre den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten stoppen.
Ahmad wendet sich verzweifelt an die Ausländerbehörde, deren Zustimmung für die Visumserteilung noch fehlt. Aber diese zögert das Verfahren hinaus und schreibt ihm: »Aufgrund der derzeitigen Situation können wir die Bearbeitung des Vorgangs nicht abschließen.« Ahmad wendet sich an das PRO ASYL-Beratungsteam, das eine Rechtsanwältin einschaltet. Diese drängt bei der Ausländerbehörde auf eine rasche Entscheidung. Die entscheidet: Sie lehnt die Zustimmung ab.
Die Rechtsanwältin stellt sofort einen Eilantrag beim Gericht, genau an dem Tag, an dem der Bundestag das Aussetzungsgesetz beschließt. Jetzt muss es schnell gehen, denn sobald das Gesetz verkündet wird, tritt es in Kraft. Wenige Tage später entscheidet das Gericht positiv und schreibt, dass die Ablehnung der Ausländerbehörde »grob fehlerhaft« war.
Doch erst als Amal und die Kinder ihre Visa bei der deutschen Botschaft abholen können, atmet die Familie auf. Ahmad schreibt an das Beratungsteam von PRO ASYL: »Es bedeutet mir und meiner Familie unglaublich viel, dass wir bald endlich wieder zusammen sein können. Ohne Ihre Hilfe wäre das nicht möglich gewesen. Vielen Dank, dass Sie in dieser schwierigen Zeit an unserer Seite geblieben sind und uns so tatkräftig unterstützt haben.«
»Wir alle mussten vor Glück weinen«
Ende September 2025 kommen Amal und die beiden Kinder in Deutschland an. Ahmad erzählt: »Es war ein unvergesslicher Moment, sie endlich wieder in die Arme zu schließen. Auch für meine Frau und meine Kinder war es eine unbeschreibliche Freude, und wir alle mussten vor Glück weinen.« Inzwischen hat sich die Familie gut eingelebt: Der ältere Sohn geht in die Grundschule und der Jüngere soll bald im Kindergarten mit der Eingewöhnung beginnen. Amal hat sich für einen Deutschkurs angemeldet.
Nugusse: Familiennachzug nach zehn Jahren Trennung
Nugusse flieht im Jahr 2014 von Eritrea nach Deutschland und erhält zwei Jahre später die Flüchtlingsanerkennung. Kibra flieht mit den beiden Söhnen nach Äthiopien, um bei der deutschen Botschaft einen Antrag auf Familiennachzug für sich und die beiden Söhne stellen zu können. Dieser Antrag wird 2018 jedoch abgelehnt, weil in einem von Kibras Dokumenten das Geburtsdatum nicht mit anderen Dokumenten übereinstimmt. Die Familie erhebt Klage, doch das Gericht lehnt ab: Die Identität sei nicht geklärt.
Die Familie muss nun das ganze Visumsverfahren mit dem nun korrigierten Dokument von vorne beginnen. Wieder folgen lange Wartezeiten, die an der Familie zehren. Nugusse schafft es trotzdem, ein Leben in Deutschland aufzubauen. Er arbeitet viel, um seiner Familie Geld schicken zu können.
»Große Teile ihrer Kindheit müssen die Söhne ohne ihren Vater verbringen.«
Über viele lange Jahre beschränkt sich der Kontakt auf Telefonate und unzählige Videoanrufe. Nugusse spart, wo es geht, um möglichst viele Urlaubstage mit seiner Familie verbringen zu können. Doch nur wenige Male kann er tatsächlich nach Äthiopien, wo seine Familie inzwischen lebt, fliegen. Große Teile ihrer Kindheit müssen die Söhne ohne ihren Vater verbringen. Im Jahr 2023 kommt die Tochter Eldana auf die Welt. Sobald es möglich ist, fliegt Nugusse nach Äthiopien, um zumindest bei ihrer Taufe dabei zu sein.
Immer wieder fordert die Botschaft Dokumente, die dort schon seit etlichen Jahren im Original vorliegen und daher nicht mehr eingereicht werden können. Dann wieder reagiert die Behörde wochen- und monatelang gar nicht. Mehrmals kontaktiert die Frau, die Nugusse und seine Familie in Deutschland unterstützt, das PRO ASYL, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie klagt: »Wir sind einmal wieder an dem Punkt angelangt, an dem die Botschaft sich totstellt.«
Nugusse ist schon längst eingebürgert, als das Visumsverfahren im Jahr 2024 endlich in Gang kommt. Anfang 2025, über zehn Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland, kann die Familie endlich nachziehen. Die Unterstützerin bedankt sich bei PRO ASYL: »Wir danken Ihnen sehr für Ihre Hilfe, die sie in den letzten Monaten – oder gar Jahren… – per Mail und Telefon geleistet haben. Es ist gut zu wissen, dass es Sie und PRO ASYL gibt in diesen dunklen Zeiten, und dass es noch Happy Ends gibt, wie bei der Familie von Nugusse, die nach so langen Jahren des Wartens nun endlich ihre Tickets für den Flug kaufen wird.«
Sieg vor dem Bundesverwaltungsgericht: Die Reueerklärung ist unzumutbar
Die Familie lebt sich schnell ein, Kibra möchte schnell beginnen zu arbeiten, steht aber noch vor behördlichen Herausforderungen: Sie hat ein eritreisches Identitätsdokument und eine Bescheinigung über ihre Staatsbürgerschaft bei der Ausländerbehörde vorgelegt. Die Sachbearbeiter*innen verlangen aber weiterhin einen Pass – für den Kibra jedoch bei der eritreischen Botschaft eine Erklärung abgeben müsste, dass sie die Flucht aus Eritrea bereut und die Zwei-Prozent-Steuer bezahlen muss. Für sie ist das unzumutbar.
Die beiden Söhne haben in wenigen Monaten so schnell Deutsch gelernt, dass sie in der Schule schon auf den Zweig wechseln konnten, der sie zum Fachabitur führen wird. Auch die kleine Eldana, die gerade bei der Tagesmutter eingewöhnt wird, spricht schon ihre ersten Worte auf Deutsch.
Trotz deutlicher Verschärfungen der schwarz-roten Bundesregierung wurden in diesem Jahr mehr als 100.000 Visa zum Familiennachzug erteilt. Das geht aus Zahlen des Auswärtigen Amts hervor, über die die „Welt am Sonntag“ berichtete.
Demnach wurden bis Ende November allein bezogen auf die fünf Staatsangehörigkeiten mit den meisten Anträgen 101.756 Visa bewilligt. Hauptnationalitäten waren demnach Türken (14.907) und Syrer (13.148), gefolgt von Indern (9.286), Menschen aus dem Kosovo (7.143) und aus Albanien (4.426).
In etwas mehr als einem Drittel der Fälle (37.227) ging es um Visa für den Nachzug von Kindern zu ihren Eltern. Umgekehrt wurden rund 3.500 Visa erteilt, damit Eltern zu ihren Kindern ziehen können.
Am häufigsten wurden mit 44.426 Fällen Visa für Ehepartner von in Deutschland lebenden Ausländern vergeben. Weitere 16.298 Visa gab es, damit jemand zu einem Ehepartner mit deutschem Pass ziehen konnte.
Einschränkungen seit Sommer
Das Nachzugsrecht gilt meist nur für die Kernfamilie, also Ehepartner und minderjährige Kinder. Ausnahmen gibt es für wenige Härtefälle und seit einer Ampel-Reform im März 2024 für Eltern und Schwiegereltern von Hochqualifizierten und Fachkräften, die den Lebensunterhalt der ganzen Familie eigenständig sichern können.