Fortgesetzte Kontroverse um Grenzkontrollen und Zurückweisungen - Kein Ping-Pong-Spiel mit Schutzsuchenden!

07.07.2025 Die spektakuläre Anordnung Dobrindts für Grenzkontrollen mit Zurückweisungen ist höchst umstritten. Gegenwind bekam er u. a. von höchstrichterlicher Seite, dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes, der gegenüber dem Handelsblatt auf Dobrindts Fehler bei der Beurteilung des VG-Beschlusses hinwies: "Das fällt dem Bundesinnenministerium jetzt auf die Füße."

Mit der polnischen Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen geht die Auseinandersetzung um die Grenzkontrollen und Zurückweisungen in eine nächste Runde. Von wegen "mit den Nachbarn abgestimmt"! Das zeigt Polen durch die Gegenmaßnahmen, die erst einmal bis Anfang August dauern sollen. Auf das Verzichtsangebot ist die Bundesregierung offenbar nicht eingegangen.

Am Samstag hatte Polen angekündigt, auf die Grenzkontrollen zu verzichten, wenn Deutschland sie ebenfalls einstellt. (Tagesschau)

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kündigte bei einer Kabinettssitzung in Warschau an, als Reaktion auf die deutschen Maßnahmen vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einzuführen. Eine entsprechende Anordnung des Innenministeriums werde ab kommendem Montag in Kraft treten, sagte er. «Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen.» Die Geduld seines Landes sei nun nicht mehr aufrechtzuerhalten. (Zeit)

Im Folgenden einige Pressemeldungen

aktualisiert 08.07.2025:

07.07.2025 PRO ASYL fordert die deutsche Bundesregierung nachdrücklich auf, die rechtswidrige Praxis der verschärften Grenzkontrollen unter Zurückweisung von Schutzsuchenden sofort zu beenden und sich an geltendes europäisches Recht zu halten.

Polen führt als Reaktion auf den deutschen Alleingang der Zurückweisungen an den Grenzen ab heute selbst Grenzkontrollen durch, sogar unter Einsatz des polnischen Militärs. Das war zwar erwartbar, ist aber dennoch hochgradig alarmierend.

“Diese Entwicklung zeigt, dass nationale Alleingänge die europäische Einheit gefährden und die Situation für Schutzsuchende weiter verschärfen. Schutzsuchende werden nun von einem Land ins andere hin- und hergeschickt. Im schlimmsten Fall müssen sie zukünftig zwischen zwei Grenzen ausharren. Der Zugang zu dem grundlegenden Recht auf ein Asylverfahren schwindet zusehends“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

Gerichtsurteile sind eindeutig – sie dürfen nicht ignoriert werden 

Spätestens seit den drei Kammerbeschlüssen von grundsätzlicher Bedeutung des Berliner Verwaltungsgerichts Anfang Juni ist klar: Die Zurückweisungen an der deutschen Grenze sind mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Anstatt die Gerichtsbeschlüsse umzusetzen und die rechtswidrigen Zurückweisungen einzustellen, hält Bundesinnenminister Alexander Dobrindt an seiner Politik fest. Er ignoriert damit nicht nur die Empfehlungen zahlreicher Rechtsexpert*innen und verweigert Schutzsuchenden an den Grenzen den Zugang zu einem Asylverfahren, sondern gefährdet damit auch die Errungenschaft der europäischen Freizügigkeit und setzt auf nationale Alleingänge anstatt auf gemeinsame europäische Lösungen. Die Leidtragenden sind vor allem die Schutzsuchenden, aber auch das Projekt Europa steht so auf der Kippe.

Deutschland muss Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit den europäischen Partnern an rechtsstaatlichen Asylverfahren und an einem humanitären Aufnahmesystem für Schutzsuchende arbeiten. Nur so kann verhindert werden, dass Schutzsuchende auch hier zwischen die politischen Fronten geraten und die europäischen Werte aufs Spiel gesetzt werden.

 

Pressestimmen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Grenzkontrollen zur Bekämpfung irregulärer Migration gegen wachsende Kritik aus den Nachbarländern verteidigt. «Wir müssen zurzeit Grenzkontrollen machen, weil der Schutz der europäischen Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet ist», sagte der CDU-Chef nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Premierminister Luc Frieden in Berlin. ...

Bundeskanzler Merz verteidigt Grenzkontrollen: Er reagiert damit auf Kritik aus Nachbarländern wie Luxemburg und Polen. Mit beiden Ländern spreche man über gemeinsame Kontrollen im Hinterland, so Merz. Der luxemburgische Ministerpräsident Frieden sieht durch die Kontrollen die grenzübergreifende wirtschaftliche Zusammenarbeit in Gefahr. Polen hatte als Reaktion auf die deutschen Kontrollen am Mittag angekündigt, ebenfalls die Grenzen engmaschig zu überwachen - und zwar ab kommender Woche. Regierungschef Tusk begründet dies damit, dass Deutschland seit geraumer Zeit Migranten wieder nach Polen zurückschickt.

 

Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Andreas Korbmacher, hat sich erstmals zum härteren Asylkurs der Bundesregierung mit Zurückweisungen an den deutschen Grenzen geäußert. Sollte es zu weiteren gerichtlichen Entscheidungen zugunsten von Asylsuchenden kommen, „werden Kanzler und Innenminister sicherlich überlegen müssen, inwieweit sie die Auffassung noch aufrechterhalten können, die sie bisher vertreten haben“, sagte Korbmacher im Interview mit dem Handelsblatt.

Anfang Juni hatte das Berliner Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung festgestellt, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden auf deutschem Gebiet rechtswidrig ist. Es war die erste Entscheidung zu der Neuregelung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

Gerichtspräsident Korbmacher kritisierte, Dobrindt habe von einer Einzelentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz gesprochen. Damit habe er wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass diese Entscheidung nur für diesen Fall der drei Somalier von Gewicht sei und auch nur eine überschlägige Prüfung stattgefunden habe. „Das ist so nicht ganz richtig“, erklärte Korbmacher. Das Verwaltungsgericht sei im Eilverfahren erst- und auch letztinstanzlich zuständig. „Das fällt dem Bundesinnenministerium jetzt auf die Füße.“

 

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Grenzkontrollen zur Bekämpfung irregulärer Migration gegen wachsende Kritik aus den Nachbarländern verteidigt. «Wir müssen zurzeit Grenzkontrollen machen, weil der Schutz der europäischen Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet ist», sagte der CDU-Chef nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Premierminister Luc Frieden in Berlin. 

Merz versicherte, dass es sich um eine Maßnahme auf Zeit handele und die Einschränkungen etwa für Berufspendler «so klein wie möglich» gehalten werden. «Wir wollen diejenigen, die täglich pendeln, in ihrer Arbeit nicht behindern.»

Luxemburgs Regierungschef für verstärkte Polizei-Kooperation

In den Nachbarländern gibt es teils massiven Unmut über die Grenzkontrollen. Luxemburgs Regierungschef Frieden sprach sich für eine verstärkte Polizei-Kooperation aus, um die Kontrollen zu vermindern oder sogar abzuschaffen. «Wir stehen zum Prinzip, dass illegale Immigration nicht tolerierbar ist», sagte er. Aber die wirtschaftliche Zusammenarbeit an den Binnengrenzen der EU dürfe nicht gestört werden. 

Merz sagte, Deutschland und Luxemburg prüften gemeinsame Kontrollen im Hinterland der jeweiligen Grenzen, um Einschränkungen im Grenzverkehr möglichst kleinzuhalten. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und sein luxemburgischer Amtskollege Léon Gloden seien dazu im Gespräch. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Mehr als 50.000 deutsche Grenzgänger arbeiten in Luxemburg.

Polen ordnet eigene Grenzkontrollen an

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kündigte bei einer Kabinettssitzung in Warschau an, als Reaktion auf die deutschen Maßnahmen vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einzuführen. Eine entsprechende Anordnung des Innenministeriums werde ab kommendem Montag in Kraft treten, sagte er. «Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen.» Die Geduld seines Landes sei nun nicht mehr aufrechtzuerhalten. 

Merz: Kein «Rückführungstourismus» nach Polen

Merz sagte, er habe mit Tusk mehrfach über das Thema gesprochen. Man wolle die Belastungen gemeinsam so gering wie möglich halten. «Wir haben hier ein gemeinsames Problem, das wir gemeinsam lösen wollen.» Entschieden wies Merz polnische Medienberichte zurück, nach denen es Rückführungen von bereits in Deutschland aufgenommene Asylbewerbern nach Polen gebe. «Es wird hier zum Teil behauptet, es gäbe sozusagen regelrecht einen Rückführungstourismus aus Deutschland heraus nach Polen und die würden dann praktisch über die Grenze zurück nach Polen geschafft. Das ist nicht der Fall.»

Rechtskonservative Opposition in Polen macht Druck

In Polen sind die Zurückweisungen aus dem westlichen Nachbarland ein Aufregerthema. Tusks Mitte-Links-Regierung steht unter dem Druck der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS. «Deutschland schiebt regelmäßig illegale Migranten auf unsere Seite. Der Staat hat abgedankt, und Chaos und Straflosigkeit nehmen von Tag zu Tag zu», schrieb PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski am Montag auf X.

 

Tagesschau

"Wir kontrollieren so, wie während der Fußball-EM"

Merz verspricht zudem mehr Präsenz der Bundesregierung in Brüssel und widerspricht dem Eindruck, Berlin habe quasi als erste Amtshandlung ohne Rücksprache mit den Nachbarn die Grenzkontrollen verschärft:

Es hat niemand in der Bundesregierung, auch ich persönlich nicht, eine Notlage ausgerufen. Wir kontrollieren jetzt an den Grenzen intensiver. Wir kontrollieren in etwa so, wie während der Fußball-Europameisterschaft im letzten Jahr. Wir werden auch weiter zurückweisen, aber das ist alles im Einklang mit europäischem Recht und darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang.
Bundeskanzler Friedrich Merz

BR, 01.07.2025: Merz verteidigt Grenzkontrollen gegen Kritik der Nachbarn

https://www.br.de/nachrichten/meldung/merz-verteidigt-grenzkontrollen-gegen-kritik-der-nachbarn%2C30074209b

Bundeskanzler Merz verteidigt Grenzkontrollen: Er reagiert damit auf Kritik aus Nachbarländern wie Luxemburg und Polen. Mit beiden Ländern spreche man über gemeinsame Kontrollen im Hinterland, so Merz. Der luxemburgische Ministerpräsident Frieden sieht durch die Kontrollen die grenzübergreifende wirtschaftliche Zusammenarbeit in Gefahr. Polen hatte als Reaktion auf die deutschen Kontrollen am Mittag angekündigt, ebenfalls die Grenzen engmaschig zu überwachen - und zwar ab kommender Woche. Regierungschef Tusk begründet dies damit, dass Deutschland seit geraumer Zeit Migranten wieder nach Polen zurückschickt.

Sendung: BR24 Nachrichten, 01.07.2025 18:45 Uhr