13.06.2025 Ein hübsches, bunt bebildertes Kinderbuch hat netzpolitik.org jetzt entdeckt, das vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union bereits seit 1923 verbreitet wird. Als Thema der Veröffentlichung wird "Grundrechte" genannt, Verfasser ist FRONTEX:
EU-Veröffentlichungen Mein Leitfaden zur Rückkehr Aktuelle Ausgabe - Fassung für Kinder.
Wir zitieren den Beitrag von netzpolitik.org, der weitere Medienwirkung hervorruft (s. Der Westen 15.06.2025 EU-Abschiebebuch für Kinder wird zum Aufreger im Netz – „Wie kann sowas existieren?“)
Ein buntes Abenteuer und ein spannender Start in ein neues Leben. So verkauft die EU-Grenzagentur Frontex Kindern und Jugendlichen ihre Abschiebung in einer perfiden Broschüre. Wen es da nicht schüttelt vor Abscheu, der hat kein Herz. Ein Kommentar. (hier mit vielen Originalbildern)
Unter dem Titel „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex im Jahr 2023 eine Broschüre veröffentlicht, die Kinder und Jugendliche auf ihre Abschiebung vorbereiten soll. Die Publikation ist bis gestern einer großen Öffentlichkeit unbekannt geblieben. Das verwundert.
Denn sie ist ein zynisches Machwerk der Menschenverachtung. In euphemistischen Worten und in vermeintlich kindgerechter Sprache verniedlicht sie das Herausreißen Minderjähriger aus ihrem Leben – in illustrierter Ratgeberform.
Es ist ein Buch voller unschuldig lächelnder, tatsächlich aber eiskalter Pseudo-Menschenfreundlichkeit, in der die traumatisierende Abschiebung als Abenteuer und Chance auf einen Neuanfang verkauft wird. Abschiebung – aber voll nice, voll bunt, voll kinderfreundlich. Sogar die UN-Kinderrechtskonvention wird im Heft präsentiert. Denn Du sollst ja Deine Rechte kennen.
„Gespannt auf diese große Veränderung“
Auf Seite 1 ziert ein startendes Flugzeug den Text „Dieses Buch gehört: ….“. Nachdem Mohammed, Tanisha oder Marija dort ihren Namen eingetragen haben, ist auch schon bald Abschiebung. Die heißt natürlich nicht so im kinderfreundlichen Menschenrechts-Europa.
„Möglicherweise wurde Dir gesagt, dass Du umziehen und im Heimatland Deiner Familie leben musst“, heißt es verharmlosend über die entwurzelnde Zwangsmaßnahme, die dem Kind und seiner Familie bevorsteht.
Denn:
Für Dich und Deine Familie ist es im Moment nicht möglich, in diesem Land zu bleiben und hier zu leben. Auch wenn Du lieber hierbleiben möchtest, geht das im Moment leider nicht. Das bedeutet, dass Du in das Heimatland Deiner Familie zurückkehren musst. Das ist für Dich eine große Veränderung. Möglicherweise erinnerst Du Dich nicht mehr an das Heimatland Deiner Familie. Vielleicht bist Du traurig darüber, dass Du Deine Freunde oder die Schule verlassen musst. [..] Oder vielleicht freust Du Dich darauf, im Heimatland Deiner Familie Freunde und Familienangehörige zu treffen, und bist gespannt auf diese große Veränderung.
Aufklärerisch europäisch geht es weiter, Information ist alles: „Je mehr Du darüber weißt, desto besser bist Du auf diese große Veränderung in Deinem Leben vorbereitet.“
Denn bald beginnt das große bunte Rückkehr-Abenteuer. Doch „bevor Du mit Deiner Familie in Dein Heimatland zurückkehrst, bleibst Du möglicherweise zusammen mit anderen Familien, die auf ihre Abreise warten, in einer Einrichtung. Möglicherweise darfst Du die Einrichtung verlassen, vielleicht aber auch nicht.“
Und wenn Deine Familie und Du nicht aus der „Einrichtung“ herausdürfen, dann sagen das bestimmt die zuvorkommenden Erwachsenen, „deren Aufgabe es ist, Dir und Deiner Familie zu helfen.“ Die sind auch im nächsten Kapitel „So kommst Du zum Flughafen“ das freundliche, aber bestimmte Gesicht des Landes, das Du jetzt leider leider verlassen musst. „Diese Begleitpersonen tragen vielleicht eine besondere Weste, damit Du sie erkennen kannst. Sie sind da, um Dir zu helfen. Das ist ihre Aufgabe.“
„Welche Farbe wird die Weste wohl haben“, die die freundlichen Begleiter tragen? Am Flughafen geht es gleich weiter mit der bunten Fahrt ins Unbekannte. „Möglicherweise warten Begleitpersonen zusammen mit Deiner Familie. Du kannst ihnen Fragen stellen. Wenn Du etwas brauchst, können sie Dir vielleicht helfen.“ Vielleicht aber auch nicht.
Und auch die Handschellen, die vielleicht Dein Vater trägt, sind ganz normal. „So sind er und die anderen sicher“, weiß die Broschüre zu beruhigen.
Nach dem Flug ist dann auch gleich Ankunft. „Wenn Du im Heimatland Deiner Familie ankommst, steigt Deine Familie zusammen aus dem Flugzeug.“ Und dann erwartet Dich laut Frontex ein neues Leben in einem Land, wo Du viel erleben und kennenlernen darfst. Du musst keine Angst haben, denn Du darfst neue leckere Süßigkeiten und Speisen entdecken. Bekommst nette Lehrer und Freundinnen. Und das schöne neue Leben, auf das Dich die Europäische Union in der Broschüre schon einmal auf so zauberhafte Weise vorbereitet hat. Wie toll das alles doch ist!
Und als sei das alles nicht genug, wartet im Heft noch der aufmunternde Spruch, der aus einem Glückskeks stammen könnte: „Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber eines ist sicher: Du selbst gestaltest Deine Zukunft.“ In einem Land, in das Du gar nicht wolltest. Aber egal.
Denn Du hast ja auch noch das Poesiealbum aus der Broschüre, in das Du Deine Freunde und Freundinnen reinschreiben lassen oder selbst die Flagge Deiner neuen Heimat zeichnen kannst. Es gibt Ausmalbildchen, eine Seite für neue Vokabeln und sogar einen Rätselteil. So bunt war Abschiebung noch nie….
…und ekelhafter hat die Europäische Union wohl selten kommuniziert: unmenschlich, herzlos und beschämend.
Dieses Buch ist noch nicht alles. Auf der Seite steht wörtlich weiter:
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