12.09.2025 Der Newsletter des FluechtlingsratNRW für September 2025 bietet eine Zusammenstellung von Informationen zum Schutzstatus und der Aufnahme von Menschen aus Gaza.
Aus der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 02.09.2025 geht hervor, dass im Zeitraum vom 01.01.2025 bis 31.08.2025 459 Schutzsuchende aus Gaza und aus den palästinensischen Gebieten einen Asylantrag gestellt haben.
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung vom 21.03.2025 auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht, hatte das Bundesamt für Migration (BAMF) am 09.01.2024 beschlossen, Entscheidungen über Asylanträge von Schutzsuchenden aus dem Gazastreifen unter Verweis auf § 24 Abs. 5 Asylgesetz (AsylG), der einen Aufschub von Asylentscheidungen bei einer vorübergehend „ungewissen Lage“ ermöglicht, auszusetzen.
In einer Antwort vom 18.07.2025 auf Schriftliche Fragen teilte die Bundesregierung mit, dass das BAMF angesichts der andauernden und flächendeckenden Kampfhandlungen im Gazastreifen nicht mehr von einer vorübergehenden Ungewissheit ausgeht und daher die Bearbeitung der Asylverfahren wieder aufgenommen hat.
Weiterhin geht aus der genannten Antwort der Bundesregierung hervor, dass vom 01.01.2024 bis zum 30.04.2025 mehrere Gerichte in 187 Untätigkeitsklageverfahren das BAMF dazu veranlasst haben, über Asylanträge von Personen aus dem Gazastreifen zu entscheiden, da das BAMF infolge des Entscheidungsstopps über Monate hinweg keine inhaltlichen Entscheidungen getroffen hatte.
In einem Beschluss vom 01.04.2025 (AZ 3 A 38/25) erklärte das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen hingegen, dass das BAMF im Fall eines Schutzsuchenden aus dem Gazastreifen, der im Oktober 2023 Asyl beantragt hat, über subsidiären Schutz entscheiden könne, da im Gazastreifen aktuell eine „allgemeine Gefahrenlage“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliege. Eine Entscheidung über den Flüchtlingsschutz könne hingegen aufgeschoben werden. In einem solchen Fall sei es zulässig, die Entscheidung zunächst im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Frist von maximal 21 Monaten nach Antragstellung (§ 24 Abs. 7 AsylG) weiter auszusetzen.
In drei Fällen erkannten die Gerichte subsidiären Schutz für Asylsuchende aus dem Gazastreifen an.
Mit Verweis auf ein Urteil des VG Sigmaringen vom 07.03.2024 (A 5 K 1560/22) kommentierte Pro Asyl in einer News vom 04.04.2025, dass die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen, geprägt durch weitgehende Zerstörung der Infrastruktur und die starke Abhängigkeit großer Teile der Bevölkerung von Hilfslieferungen, bei der Frage nach der Zuerkennung subsidiären Schutzes „keineswegs ‚ungewiss‘, sondern im Gegenteil so klar, wie wohl nie seit Bestehen dieses Schutzstatus“ sei.
Pro Asyl regt in einer News vom 28.08.2025 an, dass das BAMF bei Asylentscheidungen für Menschen aus Gaza neben subsidiärem Schutz auch die Anerkennung als Flüchtling ernsthaft in Betracht ziehen sollte. Hintergrund sei die besondere Schutzbedürftigkeit der Menschen im Gazastreifen, von denen rund 1,7 Millionen der insgesamt etwa 2,4 Millionen Einwohnerinnen
durch das Hilfswerk UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees
in the Near East) unterstützt werden. Nach § 3 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit Artikel 1 D der
Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sind Personen, die von bestimmten UN-Organisationen,
etwa dem Hilfswerk UNRWA, Schutz erhalten, grundsätzlich vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen. Pro Asyl verweist jedoch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13.06.2024 (C-563/22), mit dem dieser entschied, dass es nicht zu einem Ausschluss kommt, wenn Organisationen wie UNRWA keine menschenwürdigen Lebensbedingungen und ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten können und ihren Auftrag somit nicht mehr erfüllen. Betroffene Personen sind in diesem Fall als „ipso-facto-Flüchtlinge“ anzuerkennen. Die Einstufung als „ipso-facto-Flüchtling“ bedeute, wie Pro Asyl in der genannten News erklärt, dass es nicht auf das Vorbringen einer individuell begründeten Furcht vor Verfolgung ankäme, sondern die vorherige UNRWA-Registrierung bereits verbindlich festlege, dass Betroffene schutzbedürftige Flüchtlinge im Sinne der GFK seien. Folglich sei das BAMF in seiner Prüfung verpflichtet, das Vorliegen einer UNRWA-Registrierung zu prüfen.
Für Schutzsuchende aus Gaza, die über keine UNRWA-Registrierung verfügen, besteht über den Anspruch auf subsidiären Schutz hinaus laut Pro Asyl in manchen Fällen ein Anspruch auf individuelle Anerkennung des Flüchtlingsschutzes. Die Bevölkerung im Gazastreifen sei jederzeit von kriegerischen Handlungen, wie der Zerstörung ziviler Infrastruktur sowie der Blockade humanitärer Hilfe, bedroht. Diese Bedrohungen könnten als Verfolgungsgrund gewertet werden, sofern sie sich gegen Personen richten, die als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe gelten. Im Fall palästinensischer Schutzsuchender bestehe die Möglichkeit, sie unabhängig von der staatlichen Anerkennung Palästinas als bestimmte soziale Gruppe einzustufen.
Angesichts der prekären humanitären Lage im Kriegsgebiet erklärten mehrere deutsche Städte, darunter Düsseldorf und Bonn, in einem Schreiben vom 04.08.2025 an die Bundesregierung ihre Bereitschaft, schutzbedürftige oder traumatisierte Kinder aus Gaza und Israel aufzunehmen. Sie appellierten an das Bundesinnen- sowie das Bundesaußenministerium, die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für eine solche humanitäre Initiative zu schaffen. Daraufhin erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums laut einem ZDF-heute-Artikel vom 05.08.2025, dass eine Aufnahme von Personen aus humanitären Gründen grundsätzlich der Zustimmung des Ministeriums bedürfe. Die Umsetzbarkeit entsprechender Vorhaben, so die Sprecherin weiter, „hängt entscheidend von der Sicherheitslage, der Möglichkeit der Ausreise und weiteren Faktoren ab“. Derzeit liege der Schwerpunkt auf der Ausweitung medizinischer Hilfe vor Ort sowie in der unmittelbaren Region.