Jahresbericht der Bundespolizei: Anstieg "Illegaler" Einreisen

12.11.2022 Bestimmt ist es kein Zufall, dass mittlerweile nicht mehr von der Ankunft von Schutzsuchenden oder Flüchtlingen gesprochen wird. Auch das Wort Migranten reicht offenbar nicht aus. Die Menschen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak, die jetzt Deutschland erreichen, weil sie sich hier Sicherheit erhoffen, werden pauschal und in einem Atemzug mit dem Wort illegal versehen. 

Das fiel mir in Zusammenhang mit der Vorstellung des Jahresberichtes der Bundespolizei auf. Während deren Präsident Dieter Romann in Amtssprache über die Zahlen zuletzt festgestellter "unerlaubter Einreisen" referierte, wurde von zahlreichen Medien in den Schlagzeilen von "illegalen Einreisen" gesprochen. Verbunden mit Worten wie "Mehr" oder "deutlich mehr" bekommt die Nachricht  einen anderen Klang, wirkt bedrohlicher.

Klar, wer die hohen Zäune an den Außengrenzen der EU oder das lebensgefährliche Meer überwunden hat, nicht von gewaltsamen Pushbacks und verschärften Kontrollen aufgehalten werden konnte, kommt nicht auf legitimem Weg in Deutschland an. In der Regel gibt es bekanntermaßen keine andere  Möglichkeit herzukommen. Reguläre und gefahrlose Wege wurden ihnen nicht gewährt, anders als den Ukraine-Flüchtlingen.

Ich fürchte, mit der Betonung und Wiederholung des Wortes "illegal" werden sich erneut Brandstifter und Rassisten bestätigt sehen. Ohnehin musste gerade berichtet werden: "Es gibt wieder vermehrt Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland. Bis zum dritten Quartal dieses Jahres gab es laut Bundesinnenministerium 65 Anschläge mit rechtem Bezug auf Flüchtlingsheime..." (ZDF)

Die Debatte um zuviel an Flüchtlingsaufnahme und um "illegale Einreisen" läuft seit Wochen. Aktuell bekam sie neuen Schwung mit der Vorstellung des Jahresberichts der Bundespolizei. Zusammengefasst besagt dieser:

Im laufenden Jahr wurden bislang 75.934 Fälle "illegaler Einreisen" festgestellt. Darunter gebe es rund 11.500 Menschen, die als in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte nach Deutschland gereist seien, um hier einen erneuten Asylantrag zu stellen; das seien insbesondere Menschen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien gewesen. Zum Bericht wird Innenministerin Faeser zitiert: "Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, aber kein Mensch sollte sich auf den gefährlichen Fluchtrouten in Lebensgefahr bringen, um dann in Europa keine Bleibeperspektive zu haben." Sie kündigte die Verlängerung der Grenzkontrollen und Verstärkung der Schleierfahndung an.

 

Wir zitieren im Folgenden aus der Tagesschau, dem Stern und weisen auf das Textarchiv des Bundestages mit der Dokumentation einer "scharfen Kontroverse über die Migrationspolitik" hin, die am 13. Oktober im Hohen Haus geführt wurde.

Tagesschau: Deutlich mehr illegale Einreisen

11.11.2022 Die Zahl unerlaubter Einreisen nach Deutschland steigt wieder an: Laut Bundespolizei wurden 2021 insgesamt 57.637 Fälle registriert - 63 Prozent mehr als im Vorjahr. Für das laufende Jahr zeige sich ein weiterer Anstieg.

Die Bundespolizei verzeichnet eine deutlich gestiegene Zahl illegaler Einreisen nach Deutschland. Im laufenden Jahr wurden bislang 75.934 Fälle festgestellt, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann laut dpa bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde. Über die deutsch-polnische Grenze seien es etwas mehr als 12.000 Einreisen gewesen, über die deutsch-tschechische Grenze 15.000 und über die Grenze zu Österreich mehr als 6000. Ukrainer und Ukrainerinnen seien dabei nicht erfasst. Diese dürfen legal einreisen.

Im September habe es 12.700 unerlaubte Einreisen gegeben, im Oktober 13.400. Solche fünfstelligen Monatszahlen habe es zuletzt im Februar 2016 gegeben, sagte Romann, der aber nicht von einem "Kontrollverlust" an den Grenzen sprechen wollte.

Schon 2021 deutlicher Anstieg

Schon im vergangenen Jahr hatte die Bundespolizei einen deutlichen Anstieg unerlaubter Migration nach Deutschland festgestellt. Dem Jahresbericht zufolge wurden 2021 insgesamt 57.637 Fälle dokumentiert. Das sei ein Anstieg zum Vorjahr um 63 Prozent sowie der Höchststand seit 2017. Darunter gebe es rund 11.500 Menschen, die als in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte nach Deutschland gereist seien, um hier einen erneuten Asylantrag zu stellen. Dabei habe es sich insbesondere um Menschen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien gehandelt.

Der Zuwachs 2021 dürfte auch mit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu tun haben. Durch Reisebeschränkungen und Flugausfälle kamen über Monate deutlich weniger Asylsuchende nach Deutschland als sonst. Ab August 2021 kamen dem Bericht zufolge auch mehr Migranten nach Deutschland, die über Belarus in östliche EU-Staaten gelangt waren. Die EU hatte dem dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko vorgeworfen, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um politischen Druck auszuüben. 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte: "Wir wollen die Menschen schützen, die vor Krieg oder politischer Verfolgung zu uns fliehen. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, aber kein Mensch sollte sich auf den gefährlichen Fluchtrouten in Lebensgefahr bringen, um dann in Europa keine Bleibeperspektive zu haben." Sie bekräftigte, dass sie deswegen die Kontrollen an der Grenze zu Österreich über den November hinaus verlängern wolle. An der Grenze zu Tschechien sei die Bundespolizei bereits verstärkt in der Schleierfahndung aktiv.

 

Stern Bundespolizei registriert 2021 deutlich mehr illegale Einreisen

11.11.2022 Die Bundespolizei hat im vergangenen Jahr eine deutlich steigende Zahl illegaler Einreisen nach Deutschland registriert. Für das Jahr 2021 seien insgesamt 57.637 derartige Fälle dokumentiert worden - ein Anstieg von 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies geht aus dem am Freitag vorgestellten Jahresbericht der Bundespolizei hervor. Bei einem beträchtlichen Teil dieser Fälle - rund 11.200 - waren die Migrantinnen und Migranten über Belarus durch Polen nach Deutschland gereist. 

Belarus hatte im Sommer 2021 zeitweise gezielt Migranten ins Land kommen lassen, um sie dann über die Grenze Richtung EU weiterziehen zu lassen; die Regierung in Minsk wollte damit politischen Druck auf die EU ausüben. Unter den registrierten Fällen waren laut Bundespolizei auch "zwei Schleusungen mit Todesfolge". 

"Besonders geprägt" waren die illegalen Einreisen laut Bundespolizei auch durch die so genannte Sekundärmigration aus Griechenland - dies seien rund 11.500 Fälle gewesen. Bei ihnen handele es sich um "in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte", die nach Deutschland reisten, um hier einen erneuten Asylantrag zu stellen. Dabei handelte es sich insbesondere um Afghanen, Iraker und Syrer. 

Die oppositionelle Union sprach mit Bezug auf den Bundespolizeibericht von einem "gefährlichen Trend" und forderte das SPD-geführte Bundesinnenministerium zum Handeln auf. "Der Migrationsdruck auf Deutschland steigt seit letztem Jahr massiv an", erklärte CDU/CSU-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU). Die Koalition weigere sich derweil, "wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen".

Handlungsbedarf wurde allerdings auch innerhalb der Koalition gesehen. Die nun bekannt gewordenen Polizeizahlen zeigten, "dass wir einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik brauchen, indem wir irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen", erklärte der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin. "Diejenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, müssen konsequent abgeschoben werden."

 

Textarchiv des Deutschen Bundestages

Scharfe Kontroverse über die Migrationspolitik

Im Bundestag ist es am Donnerstag, 13. Oktober 2022, zu einer scharfen Kontroverse über die Migrationspolitik der Bundesregierung gekommen. Während die CDU/CSU-Fraktion einen „migrationspolitischen Sonderweg“ der Bundesregierung beklagte, verteidigten Vertreter der Koalition die Vorhaben der „Ampel“ in diesem Bereich. Der Debatte lag ein Antrag der Unions-Fraktion (20/3933) zugrunde, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „alle Migrationspläne im Koalitionsvertrag aufzugeben, die Anreize zu verstärkter illegaler Einreise auslösen Können“. Es sei absehbar, dass die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen „in der Summe zu einer dauerhaften Zunahme von illegaler Migration in den nächsten Jahren führen werden“, heißt es der Vorlage, die zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen wurde. Die Federführung übernimmt der Ausschuss für Inneres und Heimat. ....