Künftige Minister: Zurückweisungen "vom ersten Tag an" - doch "hohes Maß an Übereinstimmung" bei den Nachbarn ist fraglich

02.05.2025 Während die Zustimmung für den Demnächst-Kanzler Merz sinkt, greifen die  zukünftigen Minister Frei (Kanzleramtsminister) und Dobrindt (Innenminister) das Erfolgsthema des Wahlkampfes von CDU/CSU und AfD wieder auf: "irreguläre Migration begrenzen". Sie kündigen  sofortige Maßnahmen für Grenzkontrollen und Zurückweisungen an Deutschlands Grenzen. "Um die irreguläre Migration effektiv und schnell begrenzen zu können", wie Frei begründet. Um "die illegale Migration in den Griff [zu] kriegen", weil die "starke Polarisierung" in Deutschland sich nur verringern lasse, wenn dies der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gelinge, wie Dobrindt erklärt. Aus den Nachbarländern Polen und Österreich und von der Polzeigewerkschaft gab es sofort Widerspruch zu den Versprechungen.

Wir zitieren:

Hier im Wortlaut:

Der künftige Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant einen Tag nach seinem geplanten Amtsantritt, verstärkte Zurückweisungen von Migranten und vermehrte Kontrollen an den deutschen Außengrenzen anzuordnen.

"Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Grenzschließungen werde es demnach nicht geben.

Polizeigewerkschaft sieht Pläne kritisch

"Die Zahlen bei der illegalen Migration müssen runter. Damit Humanität und Ordnung gleichermaßen gelingt, braucht es Kontrolle, Klarheit und Konsequenz. Dazu bereiten wir nationale und europäische Entscheidungen vor", sagte Dobrindt weiter. Beobachter erwarten, dass zumindest vorübergehend mehr Bundespolizisten an die Grenze geschickt werden. Was sich sonst noch ändern wird, ist dagegen noch unklar.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagiert skeptisch auf Dobrindts Ankündigung. Auch die GdP sei für Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei und Zoll. Eine deutliche Erhöhung der Zahl der Polizisten an der Grenze sei bei der aktuellen Personalstärke aber dauerhaft nicht durchzuhalten.

Grenzkontrollen im Schengenraum nicht vorgesehen

Bereits der designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hatte angekündigt, dass es ab dem ersten Tag der neuen Regierung schärfere Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden geben soll. Erst im Februar hatte die scheidende Innenministerin Nany Faeser (SPD) die Verlängerung der bestehenden Grenzkontrollen um sechs Monate beschlossen.

Grenzkontrollen sind im europäischen Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen. Seit Oktober 2023 werden die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz kontrolliert. An der deutsch-österreichischen Grenze bestanden die Kontrollen bereits zuvor. Im vergangenen September hatte Deutschland die bereits laufenden Kontrollen im Osten und Süden der Republik jedoch auf die Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ausgeweitet. Die stationären Kontrollen wurden damals mit illegaler Zuwanderung sowie dem Schutz vor islamistischen Terroristen und grenzüberschreitender Kriminalität begründet.

"Nationale Alleingänge sind im EU-Recht nur in absoluten Ausnahmefällen vorgesehen"

Staus an Grenzübergängen

Unter anderem in Brandenburg, vor allem am Grenzübergang Frankfurt (Oder) - Polen kommt es wegen der Grenzkontrollen zu vielen Staus. Auf dem Abschnitt der A12 zwischen Berliner Ring und der polnischen Grenze haben sich die Staus seither mehr als verdreifacht. Rund 9.800 Staus wurden registriert, zudem verdoppelte sich die Staudauer. Der Grenzübergang Frankfurt (Oder) erreichte deutschlandweit Platz eins mit den meisten Staumeldungen und -stunden.

Zwischen Januar und November 2024 wurden eine Millionen Menschen an der deutsch-polnischen Grenze in Brandenburg kontrolliert, teilte die Bundespolizei dem rbb mit. Dabei seien an der polnischen Grenze 8.304 illegale Einreisen festgestellt worden. Zudem habe es in diesem Zeitraum 5.073 Zurückweisungen gegeben.

 

Die Ministerpräsidenten von Bayern, Brandenburg und Sachsen unterstützen den Bund bei Zurückweisungen an der Grenze. Brandenburg pocht aber auf zeitliche Begrenzung. Die Gewerkschaft der Polizei warnt unterdessen vor Überforderung der Bundespolizei bei den Grenzkontrollen.

er designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hat angekündigt, unmittelbar nach der für Dienstag geplanten Wahl des CDU- und Unionsfraktions-Vorsitzenden Friedrich Merz und der Regierungsbildung mit Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen zu beginnen. Frei sagte im Interview mit WELT AM SONNTAG zum Thema Zurückweisungen: „Der Bundesinnenminister wird alle Maßnahmen ergreifen, um von diesem Tag an die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte einzuleiten.“

Der CDU-Politiker ist überzeugt, dass Deutschlands Nachbarländer das Vorgehen mittragend und abgewiesene Schutzsuchende wiederaufnehmen. Das hätten Gespräche bereits gezeigt. „Friedrich Merz hat mit dem französischen Präsidenten, mit dem österreichischen Bundeskanzler und mit dem Ministerpräsidenten von Polen gesprochen. Das Ergebnis war ein hohes Maß an Übereinstimmung“, sagte Frei.

Doch in den Nachbarländern regt sich Widerstand. „Wir werden niemand zurücknehmen, der außerhalb eines rechtmäßigen Verfahrens von einem Nachbarland zurückgewiesen wurde“, sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) der WELT AM SONNTAG. „Der Rechtsrahmen wurde vom Europäischen Gerichtshof festgestellt, der entschieden hat, dass bei Stellung eines Asylantrages eine formlose Zurückweisung rechtlich nicht möglich ist. Die deutschen Behörden müssen zunächst eine Prüfung durchführen.“

Aus den Bundesländern wird der neuen Regierung in Berlin Unterstützung bei den angekündigten Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Bundesgrenzen zugesichert. „Die bayerische Grenzpolizei wird das mit aller Kraft unterstützen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) WELT AM SONNTAG.

Hermann sagte weiter: „Wir werden nicht mehr jeden nach Belieben einreisen lassen, die Politik des einfachen Durchwinkens wird nicht mehr funktionieren. Je klarer andere Länder das sehen, desto mehr werden sie sich darum kümmern, viele Illegale, die keinen Pass haben, gar nicht erst bei sich einreisen zu lassen.“

Auch Sachsen sagt Hilfe zu. „Wir haben jetzt die Chance, zusammen mit unseren Nachbarn an den Hauptmigrationsrouten den seit 2015 nahezu ungesteuerten Asylzuzug endlich zu stoppen“, erklärte Innenminister Armin Schuster (CDU) in Dresden. „Sollte die Bundespolizei für diese Aufgabe auf Unterstützung im Rückraum angewiesen sein, ist die sächsische Polizei darauf vorbereitet.“

Im SPD-geführten Brandenburg begrüßt man die Ankündigung des designierten Kanzleramtschefs Thorsten Frei (CDU), umgehend für Zurückweisungen zu sorgen. Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange sagte dazu, es müsse „die Entscheidungskontrolle an unseren Grenzen“ wieder gewahrt und ausgebaut werden. „Das ist so lange erforderlich, bis der Schutz der EU-Außengrenzen wirksam gewährleistet ist, was derzeit und auch absehbar nicht der Fall ist“, sagte die Sozialdemokratin. „Es wird nun darauf ankommen, dass die neue Bundesregierung ihren Ankündigungen auch Taten folgen lässt – darauf warten nicht nur wir, sondern insbesondere auch die Landkreise und Gemeinden in Deutschland.“

 

Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU verspricht in einem Interview "stärkere" Grenzkontrollen. Es werde "sofort Entscheidungen" zur Migration geben.

Der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat rasche Maßnahmen gegen irreguläre Migration angekündigt. "Es wird sofort Entscheidungen geben", sagte Dobrindt der "Süddeutschen Zeitung" ("SZ") und fügte an: "An meiner Entschlossenheit gibt es keinen Zweifel." Es würden "keine Grenzen geschlossen, aber sie werden stärker kontrolliert".

Der frühere Bundesverkehrsminister und CSU-Generalsekretär Dobrindt sagte zudem, er sei bereits vor seiner Amtsübernahme aktiv geworden, um nach seiner Ernennung rasch aktiv zu werden.

"Unser Ziel ist es, auch europäisch mehr zu erreichen. Ich führe dazu bereits Gespräche mit europäischen Partnern." Alexander Dobrindt (CSU), designierter Bundesinnenminister

Grenzkontrollen: Polen gegen Dobrindt

Der polnische Geschäftsträger in Deutschland warnte die künftige Bundesregierung derweil vor geplanten verschärften Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Bereits die derzeitigen Kontrollen seien "ein Problem für den täglichen Grenzverkehr und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes", sagte der polnische Spitzendiplomat Jan Tombinski dem Magazin "Politico".

"Wir wünschen daher nicht, dass es zu einer Verschärfung der Grenzkontrollen kommt." Jan Tombinski, polnischer Spitzendiplomat

Die Regierung in Warschau stehe "natürlich zu unserer Verpflichtung, die europäische Außengrenze - vor allem zu Russland und Belarus - zu schützen", betonte Tombinski.

Zugleich erwarte seine Regierung aber, "dass die Freizügigkeit im europäischen Schengenraum erhalten bleibt". Den Menschen in Polen werde es "schwierig zu erklären [sein], dass wir in unsere Außengrenze investieren und gleichzeitig die verschärften Kontrollen an der deutschen Grenze bekommen", warnte der Diplomat.

Dobrindt zu europäischem Asylsystem: "Zu langsam"

Dobrindt äußerte in der "SZ" insbesondere den Willen, das europäische Asylsystem über das bereits beschlossene Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) hinaus zu reformieren. "GEAS geht in die richtige Richtung, ist aber zu langsam", sagte Dobrindt.

"Wir wollen zusätzlich etwas erreichen." Alexander Dobrindt (CSU), designierter Bundesinnenminister

Die "starke Polarisierung" in Deutschland lasse sich nur verringern, wenn es der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gelinge, "die illegale Migration in den Griff [zu] kriegen".

Hierfür seien die Voraussetzungen besser als bei der bislang letzten schwarz-roten Koalition von 2018 bis 2021 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Der Unterschied zur letzten GroKo ist: Es gibt dafür mehr Unterstützung aus dem Kanzleramt", sagte Dobrindt.

 

Die neue Bundesregierung will laut dem künftigen Kanzleramtschef Grenzkontrollen ab ihrem Amtsantritt ausweiten. Illegale Einreisen sollen dadurch gestoppt werden.

Der künftige Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hat verschärfte Kontrollen an den deutschen Außengrenzen angekündigt. Die neue Bundesregierung werde "vom ersten Tag an die Personenkontrollen an den deutschen Grenzen ausweiten und intensivieren", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Um die irreguläre Migration effektiv und schnell begrenzen zu können, seien auch Zurückweisungen an den Grenzen geplant.

"Jeder, der illegal nach Deutschland einzureisen versucht, muss vom 6. Mai an damit rechnen, dass an der deutschen Grenze Schluss ist", sagte Frei mit Blick auf das Datum, an dem der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) vereidigt werden soll. "Niemand kann im Land seines Wunsches Asyl beantragen", fügte Frei hinzu. "Das muss nach europäischem Recht dort passieren, wo jemand die Europäische Union erstmals betritt. Das ist so gut wie nie Deutschland", sagte der künftige Kanzleramtsminister.

Kurswechsel stößt laut Frei auf "sehr viel Zustimmung"

Die künftige Bundesregierung stimme sich dazu bereits mit Nachbarstaaten wie Frankreich, Österreich und Polen ab. Der geplante deutsche Kurswechsel bekomme "sehr viel Zustimmung". 

Frei war bisher Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Die innere Sicherheit und die Begrenzung der Migration zählen zu den Kernthemen des Innenexperten.

Union und SPD haben die Fortsetzung der Kontrollen an allen deutschen Grenzen und die Zurückweisung von Asylsuchenden in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Dies solle "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" erfolgen. Für die SPD bedingt dies das Einverständnis der betroffenen Länder, Unionsvertreter hatten bisher eine Einwilligung nicht für notwendig gehalten.