Reformpläne für Asyl innerhalb der EU - mehr Sicherheit für die Festung Europa, nicht aber für die Schutzsuchenden

20.07.2020 Die Nachrichten von den EU-Minister-Konferenzen am  7. und am 13. Juli haben in den Medien wenig Niederschlag gefunden. Gerade mal einen Tag lang beschäftigten sich die Haupt-TV-Sendungen damit, die Print-Medien noch weniger. Liegt es an der Ferienzeit? Oder doch eher daran, dass nichts wirklich Neues zur Diskussion stand? Mir scheint, es läuft trotz gegenteiliger Worte auf ein „weiter so“ mit neuen Etiketten hinaus.

Seehofer kündigte großartig an, während der deutschen EU-Präsidentschaft eine Reform des EU-Asylrechts zu schaffen. Doch was ist neu daran, wenn über die Verbesserung der Abschottung Europas verhandelt wird?

Die Türsteher-Rolle der nordafrikanischen Staaten soll ausgeweitet und gestärkt werden, auch finanziell. Frontex soll ebenfalls verstärkt werden, um die Schleuser zu bekämpfen (auch die Schutzsuchenden?).  Legale Wege der Migration wolle man schaffen, Asylantrags-Lager außerhalb Europas... Ach ja, und natürlich auch die Fluchtursachen bekämpfen... Und solidarisch sein.. Und nachhaltig (ohne dieses Adjektiv geht es nirgendwo mehr).

Trotz großer Worte ("Alle eint das Ziel, dass wir weitere Todesfälle im Mittelmeer verhindern wollen." -  "Alle Mitgliedstaaten sind bei der Migrationspolitik an einer nachhaltigen Lösung interessiert" - Horst Seehofer, Bundesinnenminister), die Rezepte sind alt, und die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung und die Öffnung sicherer Häfen sind Stichworte, die nicht in den Reformplänen zu finden sind, ganz zu schweigen von der sichersten Möglichkeit: freier Ticketverkauf für Fähren oder Flieger, so wie wir es gewohnt sind zu reisen.

Im September beginnt die nächste Runde. Dann will die EU-Kommission ihre Reformpläne vorlegen.

22.07.2020 Den beiden Konferenzen folgte eine weitere: "Zum Umgang mit illegaler Migration haben sich heute mehrere Innenminister und Vertreter der EU bei einer Konferenz in Wien beraten", so das ZDF im heute-journal. Damit gemeint: die Migration auf dem Westbalkan. Seehofer wünscht sich, "dass diejenigen EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sich stattdessen anders engagieren ... und Solidarität zeigen.." Es gehe um Polizeikräfte oder schlicht finanzielle Unterstützung, heißt es, denn die Grenzen auf dem Balkan sind nicht dicht. ... Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen die Aussichten für Asylsuchende schon vor den Außengrenzen der EU ausgelotet werden. https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/konferenz-zu-illegaler-migration-100.html

Pressestimmen zu den Konferenzen:

13.07.2020 Pressemitteilung EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson:

„Es ist wichtiger denn je, unsere Beziehungen als Nachbarn und Partner zu stärken, den Menschenschmuggel zu bekämpfen und die Migration zu steuern“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in ihrer Rede auf der Konferenz.

Die Pandemie habe beispiellose und vielschichtige Auswirkungen auf unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften. Auf beiden Seiten des Mittelmeers.

Es bestehe die große Gefahr, dass Covid-19 die Schwächsten am härtesten trifft. Dazu gehören Migranten, Vertriebene und Geflüchtete. Nicht nur wegen des Virus selbst, sondern auch wegen der Wirtschaftskrise, die folgen wird. Wir können diese Krise nur gemeinsam bewältigen.  ...

Die Kommissarin lobte die Fortschritte beim Kampf gegen die Schmuggler. Allein im letzten Jahr konnten 60 Prozent der Menschen, die sich auf den gefährlichen Weg begeben wollten, davon abgehalten werden.

Die libysche Küstenwache habe in den letzten Wochen aktiv daran gearbeitet, die Aktivitäten von Schmugglern zu unterbrechen. Mauretanien und Spanien haben gemeinsame Grenzpatrouillen durchgeführt und arbeiten weiter eng in gemeinsamen Einsatzteams zusammen. Die tunesische Polizei hat vor kurzem eines der größten Migrantenschmugglernetze in Sfax zerschlagen.  Marokko arbeitet intensiv mit der EU zusammen und hat im vergangenen Jahr verhindert, dass 70.000 Menschen irregulär nach Spanien gelangen konnten.

Die Konferenz hat gezeigt, dass es notwendig ist, die Zusammenarbeit fortzusetzen und auszubauen. „Unser oberstes Ziel ist es, Menschenschmuggel und den Verlust von Menschenleben zu verringern“, so die Johansson. „Menschenleben zu retten ist das Wichtigste für uns.

Die Zusammenarbeit mit Drittländern wird ein wichtiger Teil des Vorschlags für eine neue Asyl-und Migrationspolitik sein, den die EU-Kommission vorlegen wird.

https://ec.europa.eu/germany/news/eu-und-nordafrika-wollen-gemeinsam-kampf-gegen-menschenschmuggel-verstaerken_de

13.07.2020 Tagesschau: EU und Nordafrika beraten: Wie Flucht über das Mittelmeer verhindern?

Auf Initiative Italiens beraten nordafrikanische und europäische Staaten - wieder einmal - über Migration und Schlepperkriminalität. Mit dabei auch Innenminister Seehofer. Sein Thema: die Reform der EU-Flüchtlingspolitik.

Von Judith Wedel, ARD-Studio Brüssel

"Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Hilfe von Malta, von Italien, von Europa für diese Migranten!"

Der Mann, der so um Hilfe ruft, heißt Mohammad Shaaban. Er ist Kapitän eines libanesischen Viehfrachters und nimmt in diesen Wochen im Mittelmeer Transporte von Spanien nach Libyen vor. Anfang Juli - als er ohne Fracht zurück nach Spanien fuhr - sei er vom maltesischen Rettungszentrum angewiesen worden, Flüchtlinge aus einem Schlauchboot zu retten, sagt er in einem Telefoninterview.

Allein gelassen: Tagelang wartete Kapitän Mohammad Shaaban vergeblich auf Hilfe aus Malta oder Italien.

Unhaltbare Zustände: Die verdreckten Ställe, in denen die Flüchtlinge unterkommen, sind nicht für Menschen gemacht.

Als ein Sturm aufzog, habe er die Migranten unter Deck in die Tierställe bringen müssen, erzählt er weiter. "Die Ställe sind dreckig. Und eigentlich für Tiere, nicht für Menschen gemacht." Insgesamt fünf Tage lang ließen ihn die maltesischen Behörden mit 50 Migranten vor ihrer Küste allein. Auch Italien fühlte sich nicht zuständig. Erst als dem Kapitän Essen und Wasser ausgehen, holten sie die Menschen an Land.

Immer wieder müssen Frachter und Schiffe von Hilfsorganisationen warten, bis sie gerettete Flüchtlinge in einen Hafen bringen können. Teils wochenlang. Weil Malta oder Italien verlangen, dass auch andere EU-Staaten einen Teil der Menschen aufnehmen. Eine staatliche Seenotrettung gibt es seit Jahren nicht mehr. Keiner weiß, wie viele Flüchtlingsboote überhaupt entdeckt werden und wie viele Menschen unbemerkt sterben.

Drittstaaten sollen eingebunden werden

Die EU-Staaten aber wollen nicht etwa die Seenotrettung wieder aufnehmen, sondern "die Partnerschaft mit den nordafrikanischen Staaten verstärken", wie es in einem Schreiben des Bundesinnenministeriums heißt. Die nordafrikanischen Staaten sollen verhindern, dass sich Flüchtlinge Richtung Europa auf den Weg machen.

Am Montag findet dazu eine von Italien ausgerichtete Videokonferenz statt. Teilnehmer sind auf europäischer Seite neben Italien auch Deutschland, Spanien, Malta und Frankreich. Auf nordafrikanischer Seite sind es Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien. Außerdem ist die EU-Kommission vertreten.

Die EU unterstützt jetzt schon zum Beispiel Libyen dabei, Boote mit Migranten wieder zurück zu holen. Eine Praxis, die von Menschenrechtsorganisationen und auch vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) kritisiert wird, weil in Libyen Bürgerkrieg herrscht und Migranten dort oft in Folterlagern gefangen gehalten oder zu Sklavenarbeit gezwungen werden.

https://www.tagesschau.de/ausland/migration-137.html

13.07.2020 EU-Innenminister Mit Hilfe aus Nordafrika gegen Schlepper

Europa will künftig auch auf afrikanische Polizeistrukturen setzen, um die Überfahrt von Bootsflüchtlingen über das Mittelmeer zu stoppen. Die EU-Innenminister und nordafrikanische Länder vereinbarten eine stärkere Schleuserbekämpfung.

Die EU will im Kampf gegen unerwünschte Migration nach Europa enger mit Herkunfts- und Transitländern von Schutzsuchenden zusammenarbeiten. Partnerschaften mit Drittstaaten machten einen wesentlichen Bestandteil ihres Vorschlags für die EU-Asylreform aus, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nach einer Videokonferenz mit den EU-Innenministern. Johansson will ihre Vorschläge für die seit Jahren blockierte Asylreform voraussichtlich im September vorlegen.

In einer Erklärung der Konferenzteilnehmer hieß es, man wolle eine engere Zusammenarbeit zwischen der Behörde für Polizeikooperationen der Afrikanischen Union (Afripol) und den EU-Agenturen Frontex und Europol sowie des Europäischen Netzwerks von Verbindungsbeamten für Einwanderung fördern. Vorgesehen seien zudem Ausbildungsprojekte sowie finanzielle Hilfen für technische Ausstattung.

Johansson will Fluchtursachen bekämpfen

An der Ministerkonferenz nahmen Frankreich, Deutschland, Italien, Malta und Spanien teil sowie die EU-Kommissare für Inneres und für Europäische Nachbarschaftspolitik. Auf afrikanischer Seite waren es Innenminister aus Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko und Tunesien.

Johansson sagte, sie wolle so bald wie möglich persönlich mit den Drittstaaten beraten. Dabei solle es nicht nur darum gehen, Menschenschmuggel über das Mittelmeer zu verhindern. Stattdessen solle auch erörtert werden, wie Fluchtursachen bekämpft, Menschenrechte bewahrt und aufnehmende Gemeinden unterstützt werden könnten. Zudem müssten legale Wege für Migranten in die EU entwickelt werden. Auch Desinformationen krimineller Banden in sozialen Netzwerken sollten bekämpft werden.

Seehofer: "Tote im Mittelmeer verhindern"

Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte: "Die EU-Mitgliedstaaten eint das Ziel, Tote im Mittelmeer zu verhindern. Dazu gehört, dass wir aus Seenot Geretteten helfen. Zugleich müssen wir die Bekämpfung der Schleuserkriminalität stärken." Dafür sei die Zusammenarbeit mit Partnern in Nordafrika unerlässlich. Diese solle während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden Monaten weiter ausgebaut werden.

Innerhalb der EU gibt es derweil noch immer keine Verständigung über den Umgang mit Bootsflüchtlingen, da nur wenige EU-Länder zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlingen bereit sind.

Immer wieder machen sich Flüchtlinge und Migranten etwa von Libyen oder Tunesien aus über das Meer auf den Weg nach Europa. Laut UN ist das Mittelmeer die tödlichste Seeroute der Welt. 2019 seien 1319 Menschen bei der Flucht übers Mittelmeer gestorben oder als vermisst gemeldet worden.

Stand: 13.07.2020 17:44 Uhr https://www.tagesschau.de/ausland/migration-139.html

Print: "Alle EU-Staaten wollten eine „nachhaltige Lösung, weg von einer Ad-hoc-Lösung“, und dies werde es ohne eine gemeinsame europäische Asylpolitik nicht geben. Niemand in der Runde sei der Auffassung gewesen, dass das „bestehende System fortgeschrieben“ werden könne. Kommissarin Johansson betont, man werde sowohl die europäische Polizeibehörde Europol wie auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex „sowohl beim Mandat wie auch bei den Finanzen stärken“. Laut Seehofer will nun eine „gewisse Anzahl von Staaten, man kann sagen, fast alle Mitgliedsstaaten“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen „in unterschiedlicher Form helfen“. Vor allem wolle die EU mit Staaten wie Libyen, Algerien, Tunesien oder Marokko, von deren Küsten viele Menschen nach Europa aufbrächen, intensiver zusammenarbeiten, damit sich von dort aus weniger Menschen auf die Flucht nach Europa machten."  Quelle https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/ausland/asylpolitik-in-europa-horst-seehofer-fordert-mehr-solidaritaet_aid-52074201

 

07.07.2020 EU-Innenministerkonferenz: "Alle eint das Ziel, dass wir weitere Todesfälle im Mittelmeer verhindern wollen." (Horst Seehofer, Bundesinnenminister) zur EU-Innenministerkonferenz unter seinem Vorsitz. Alle Mitgliedstaaten seien an einer nachhaltigen Lösung interessiert. Dabei zeigte er sich zuversichtlich, ein Konzept finden zu können, hinter dem alle Mitgliedstaaten stehen könnten. Das gemeinsame Ziel aller Mitgliedstaaten sei, die Abwanderung aus nordafrikanischen Ländern wie Libyen, Tunesien und Algerien zu bekämpfen und Schleuserkriminalität zu beenden.

Nach der Diskussion am Dienstag zeigte sich Seehofer zuversichtlich, ein europäisches Regelwerk zu entwerfen, das Europa als Wertegemeinschaft in der Welt zeige. Dabei sprach sich Seehofer dafür aus, Asylverfahren an den Außengrenzen abzuwickeln, Rückführungen für Nicht-Schutzberechtigte über die EU zu organisieren und einen legalen Weg nach Europa zu ermöglichen. Um in Europa arbeiten zu können, würden derzeit Asylanträge gestellt. Dies solle sich künftig ändern. Gleichzeitig müsse man immer wieder bereit sein, ein starkes Zeichen der Humanität zu zeigen, sagte Seehofer.

Seehofer und Johansson sprachen sich gemeinsam dafür aus, europäische Institutionen wie Frontex und Europol zu stärken - ihr Mandat sowie die finanziellen Mittel. Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/video/seenotrettung-pressekonferenz-seehofer-johansson-100.html.