18.08.2025 aktualisiert durch eine ausführliche Bewertung im AugustNewsletter des Flüchtlingsrates NRW s. unten
31.07.2025 Zitiert aus dem Schnellinfo 07 des Flüchtlingsrates NRW:
Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen zur Anpassung des nationalen Rechts an die GEAS-Reform
Mehrere Organisationen haben im Juli 2025 zu den überarbeiteten Gesetzentwürfen – dem GEAS-Anpassungsgesetz (Bearbeitungsstand: 24.06.2025) und dem GEAS-Anpassungsfolgegesetz zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze (Bearbeitungsstand: 10.06.2025) – zur Anpassung des nationalen Rechts an die GEAS-Reform Stellung genommen.
Darunter das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), das in seiner Stellungnahme (Stand: Juli 2025) erhebliche grund- und menschenrechtliche Bedenken zum GEAS-Anpassungsgesetz äußert. Es kritisiert insbesondere Freiheitsbeschränkungen durch Grenzverfahren und verpflichtende Unterbringung in speziellen Einrichtungen, die faktisch Freiheitsentziehungen darstellten. Viele Maßnahmen gingen über EU-Vorgaben hinaus, während Schutzgarantien – etwa für vulnerable Personen oder beim Zugang zur Rechtsberatung – fehlten.
Der Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht (BuMF) bemängelt in seiner Stellungnahme vom 09.07.2025, dass die Rechte geflüchteter Kinder weitgehend unberücksichtigt
blieben, insbesondere durch drohende Inhaftierungen, lange Aufenthalte in Massenunterkünften und
mangelnden Schutz des Kindeswohls. Der Verband fordert verbindliche Schutzstandards gemäß UN-Kinderrechtskonvention sowie eine kindgerechte Umsetzung zentraler EU-Vorgaben.
Der Deutsche Caritasverband kritisiert in seiner Stellungnahme (Stand: Juli 2025) u.na. die von deutscher Seite geplante vorzeitige Umsetzung einzelner Maßnahmen vor deren EU-weiter Anwendbarkeit ab Juni 2026. Amnesty International weist in ihrer Stellungnahme vom 08.07.2025 darauf hin, dass der Gesetzentwurf die menschenrechtlichen Spielräume der GEAS-Reform unzureichend ausschöpfe und im Vergleich zu früheren Entwürfen sogar restriktiver ausfalle. Die Organisation empfiehlt u. a., die Anwendung des Grenzverfahrens auf verpflichtende Fälle zu beschränken sowie die Vorschriften zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit und Inhaftierung im Asylverfahren zu streichen oder zumindest deren Voraussetzungen zu konkretisieren und gesetzlich Alternativen zur Haft festzuschreiben.
aktualisiert durch eine ausführliche Bewertung im Newsletter des Flüchtlingsrates NRW vom 15.08.2025:
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Referentinnenentwurf zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Mit dem im Juli 2025 vorgelegten Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) plant die Bundesregierung tiefgreifende Änderungen unter anderem im Asylgesetz, Aufenthaltsgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz. Notwendig sind Änderungen vor dem Hintergrund der im Juni 2024 verabschiedeten GEAS-Reform, die in weiten Teilen ab dem 12.06.2026 Anwendung findet.
Am 08.07.2025 hat eine Anhörung zum Referentinnenentwurf im Bundestag stattgefunden, zu der u.a. Stellungnahmen von flüchtlingssolidarischen Fachverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Juristinnen eingegangen sind. Laut der Stellungnahme von Amnesty International vom 08.07.2025 beinhaltet der Entwurf die umfassendste Reform des deutschen Asylrechts seit dem Asylkompromiss von 1993 und schwächt die Rechte von Schutzsuchenden massiv. Im Folgenden nehmen wir eine kritische Einordnung von ausgewählten geplanten Gesetzesänderungen vor.
Ausweitung des Anwendungsbereichs von Asylgrenzverfahren:
Der Referentenentwurf des BMI sieht eine grundlegende Ausweitung von Asylgrenzverfahren vor: § 18a Asylgesetz, bislang überschrieben mit „Verfahren bei Einreise auf dem Luftweg“, soll in „§ 18a Asylverfahren an der Grenze“ (S. 17 ff.) umbenannt und inhaltlich angepasst werden. Grenzverfahren bedeuten, dass Schutzsuchende trotz physischer Anwesenheit formal als nicht eingereist gelten („Fiktion der Nicht-Einreise“) und sich während des Verfahrens an einem bestimmten Ort, etwa im Transitbereich eines Flughafens, aufhalten müssen. Es werden sechs Punkte mit Gründen aufgeführt, die bei Schutzsuchenden, die per Flugzeug auf einem deutschen Flughafen landen, die Durchführung eines „Grenzverfahrens“ ermöglichen, u.a. wenn ihnen eine Identitätstäuschung oder mangelnde Mitwirkung vorgeworfen wird, sie bereits Schutz in einem anderen EU-Staat erhalten haben, einen Folgeantrag stellen, als potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft werden oder aus Ländern mit besonders niedriger Schutzquote stammen und ihren Asylantrag unzureichend begründen. Wie der Deutsche Juristinnenbund (djb) in seiner Stellungnahme vom 08.07.2025 ausführt, verpflichte die EU-Asylverfahrensverordnung 2024/1348 die Mitgliedstaaten lediglich zur Durchführung von Grenzverfahren in bestimmten, eng umrissenen Fällen (Art. 45 AV-VO). Die Bundesregierung gehe nicht nur über die unionsrechtlich verpflichtenden Mindestvorgaben hinaus, sondern schöpfe den größtmöglichen Spielraum für die Durchführung von Grenzverfahren aus. Dies stelle eine bewusste Verschärfung im Bereich der grundsätzlich umstrittenen Grenzverfahren dar, die die Grund- und Menschenrechte von Schutzsuchenden in besonderem Maße gefährdeten. Der Zugang zu Rechtsmitteln sei in dieser Phase erschwert, was besonders schwerwiegend für vulnerable Gruppen wie Minderjährige, Traumatisierte oder kranke Personen sei. Der djb warnt vor einer unnötig restriktiven Auslegung.
Ausweitung der Gründe für Ablehnung von Asylanträgen als „offensichtlich unbegründet“:
Der Referentenentwurf sieht eine grundlegende Neufassung von § 30 Asylgesetz (S. 30 f.) vor, die die Möglichkeit der Ablehnung von Asylanträgen als „offensichtlich unbegründet“ erheblich erweitert. Künftig soll diese Form der Ablehnung nicht nur wie bisher in § 30 AsylG bei fehlenden Fluchtgründen, falschen Angaben oder unterstellten gefälschten Dokumenten zur Anwendung kommen, sondern auch bei Antragstellerinnen aus Herkunftsstaaten mit einer unionsweit durchschnittlichen Schutzquote von maximal 20 Prozent, bei verspäteter Antragstellung ohne triftigen Grund und auch bei unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Wie der djb erklärt, sei letzteres angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Antragstellerinnen höchst gravierend. Der Verband weist darauf hin, dass die Neuregelung auf Art. 39 Abs. 4 der Asylverfahrensverordnung (EU) 2024/1348 basiert, dessen Anwendung jedoch fakultativ sei. Mitgliedstaaten seien demnach nicht verpflichtet, diese erweiterten Gründe für die Ablehnung eines Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ umzusetzen. Auch hier verschärfe die Bundesregierung das Asylrecht bewusst über das erforderliche Mindestmaß hinaus.
Einführung einer Asylverfahrenshaft:
Der Referentenwurf sieht in § 69 Asylgesetz-Erweiterung (AsylG-E) (S. 34 f.) die Einführung der auf Artikel 10 der Aufnahmerichtlinie (EU) 2024/1346 beruhenden sogenannten „Asylverfahrenshaft“ und die Möglichkeit der Inhaftierung zur Sicherstellung des Ablaufs des Asylverfahrens, insbesondere bei Durchführung eines Grenzverfahrens, vor. Der djb merkt kritisch an, dass es bereits ausreichend rechtliche Möglichkeiten gäbe, um fehlende Mitwirkung im Asylverfahren zu sanktionieren, etwa durch die Beendigung des Verfahrens gemäß §§ 33 bzw. 32 i. V. m. Art. 41 der Asylverfahrensverordnung 2024/1348, die in der Regel mit einer Ausreisepflicht einhergehe und mittels Abschiebungshaft (§ 62 AufenthG) oder Ausreisegewahrsam (§ 62b AufenthG) durchgesetzt werden könne. Eine zusätzliche Verfahrenshaft sei daher nicht erforderlich. Die zusätzliche Haftmaßnahme erhöhe das Risiko von Grund- und Menschenrechtsverletzungen. Besonders bedenklich sei, dass § 69 AsylG-E keine detaillierten Vorgaben für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthält, obwohl Art. 10 Abs. 5 der neuen Aufnahmerichtlinie explizit regelt, dass Haft nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden darf. Vorher müssten alle milderen Alternativen, z.B. Meldeauflagen und Aufenthaltsverpflichtung, geprüft werden. Die geplante Umsetzung stelle damit eine klare Missachtung der im Grundgesetz verankerten Grundrechte dar.
Ausweitung der Gründe für Leistungskürzungen:
Die restriktive Ausrichtung des Referentinnenentwurfs zeigt sich auch im Bereich der Sozialleistungen. So sollen die Gründe für eine Leistungseinschränkung nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz ausgeweitet werden. Schutzsuchenden, „die durch ihr Verhalten die Ordnung in einer Aufnahmeeinrichtung (…) oder Gemeinschaftsunterkunft (…) schwerwiegend stören oder andere Bewohnerinnen bedrohen oder gewalttätig werden“, sollen künftig gemäß § 1a
Abs. 7 AsylbLG-E (S. 57) für bis zu zwei Monate die Leistungen gekürzt werden können, sodass sie nur noch Leistungen für Ernährung, Unterkunft inklusive Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege erhalten. Wie der djb erklärt, berücksichtige die Neuregelung nicht, dass Verstöße gegen Verhaltensregelungen in Unterkünften o.ä. häufig auf psychische Erkrankungen zurückgehen. Zudem sei der Entzug existenzsichernder Leistungen nicht geeignet, unerwünschtes Verhalten wirksam zu ahnden. Der djb rät von der Ausweitung der Möglichkeit von Leistungskürzungen ab, bei gleichwohler Anwendung empfiehlt er eine Schutzklausel, nach der von Kürzungen abgesehen wird, wenn die betroffene Schutzsuchende die Beeinträchtigung der Ordnung oder ihr bedrohliches bzw. gewalttätiges Verhalten nicht verschuldet hat oder ihr die Einhaltung der Ordnung beziehungsweise ein gewaltfreies Verhalten aus wichtigen, z.B. unzumutbaren Gründen nicht möglich war.