Streit um Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen

15.04.2025 Das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan, das mit Merz´ Regierungsbeginn vermutlich beendet wird, ist in den letzten Wochen noch einmal heftig umstritten.

Hier eine Zusammenstellung von Beiträgen, der aktuellste zuerst:

im Wortlaut:

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL, kommentiert den drohenden Stopp der Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan:

„Es ist eine Schande, wenn jetzt die letzten Rettungsflieger für bedrohte Afghaninnen und Afghanen eingestellt werden sollten. Die Bundesregierung selbst hat ihre Gefährdung festgestellt. Wenn die Menschen nicht aufgenommen werden, liefert Deutschland sie letztlich den Taliban aus, denn in Pakistan werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bleiben können – und eine Rückkehr oder Abschiebung nach Afghanistan kann für die Menschen Folter oder gar den Tod bedeuten“, sagt Wiebke Judith.

 

Union und SPD wollen künftig Aufnahmeprogramme stoppen. Aus CDU und CSU kommt deshalb Kritik an der geschäftsführenden Regierung, die offenbar weitere Aufnahmen aus Afghanistan plant. Die Ministerien weisen dagegen auf Verbindlichkeiten hin.

Die Bundesregierung hat die Kritik aus der Union zurückgewiesen, dass das Auswärtige Amt noch Flüge mit Menschen aus Afghanistan nach Deutschland plane und dabei teilweise keine Sicherheitsüberprüfungen vornehme. "Die Einreise dieser Personen setzt immer voraus, dass die strengen Aufnahme- und Sicherheitskriterien erfüllt werden", sagte eine Sprecherin des Innenministeriums in Berlin.

"Sicherheit hat dabei oberste Priorität, alle Personen werden vor der Einreise strikt überprüft", betonte sie. Die Überprüfungen finden in Pakistan statt, von dort werden auch Flüge nach Deutschland organisiert. Weitere Aufnahmezusagen würden aber derzeit nicht erteilt.

Etwa 2.600 Menschen mit Aufnahmezusage

Die Aufnahmezusagen sowie die Aufnahmen erfolgen im Rahmen eines Programms für frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und weiterer deutscher Institutionen sowie weiterer Aufnahmeprogramme. Dabei geht es um Menschen, die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan 2021 als besonders gefährdet gelten - etwa wegen ihrer vorherigen Tätigkeit zum Beispiel als Journalistinnen und Journalisten, ihres Einsatzes zum Beispiel für Frauenrechte oder generell für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.

Insgesamt gebe es derzeit in allen Verfahren zusammen noch etwa 2.600 Menschen mit einer Aufnahmezusage, sagte dazu eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. Einbezogen sind jeweils auch enge Familienangehörige. Die Sprecherin wies darauf hin, dass sich die Menschenrechtslage in Afghanistan in den vergangenen Jahren noch weiter verschlechtert hat. Insbesondere Kritikerinnen und Kritiker der Taliban seien "starker Repression ausgesetzt". Die Bedrohungslage für sie sei "sehr real" und werde jeweils individuell geprüft.

Ministerien: Zusagen sind verbindlich

Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums wies zudem darauf hin, dass Menschen, die im Rahmen der Aufnahmeprogramme nach Deutschland kommen, in der Regel "einen Aufenthaltstitel für zunächst drei Jahre" erhalten. Ob ein solcher Titel zurückgenommen werden könne, richte sich nach geltendem Recht. Neben der Sprecherin des Innenressorts bekräftigte auch das Auswärtige Amt die Verbindlichkeit erteilter Aufnahmezusagen.

Falls Aufnahmebescheide widerrufen würden, könnten die Betroffenen den Rechtsweg gehen, dann allerdings von Pakistan aus, sagte dazu Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Hintergrund sind Medienberichte, wonach in Kürze drei weitere Evakuierungsflüge für Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland geplant sind. Ausgangspunkt ist demnach wie bereits in früheren Fällen die pakistanische Hauptstadt Islamabad, wo auch die Überprüfungen der Schutzbedürftigen stattfinden. Die Sprecherin des Innenministeriums bestätigte diese Berichte nicht. "Wir kündigen grundsätzlich vorab keine Flüge an", antwortete sie auf eine diesbezügliche Frage.

Union kritisiert rot-grüne Bundesregierung

Union und SPD haben sich darauf verständigt, in der wahrscheinlich künftigen Regierung sämtliche freiwilligen Aufnahmeprogramme zu stoppen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dem Sender Welt-TV, dass die neue Regierung die Aufnahme sofort beenden und stattdessen mehr Abschiebeflüge nach Afghanistan organisieren werde. Er behauptete zudem, dass ausgewählte Personen für Flüge nach Deutschland "zum Teil nicht sicherheitsüberprüft" seien.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (ebenfalls CDU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Der politische Anstand gebietet einer geschäftsführenden Bundesregierung, maßzuhalten und nicht noch das zu intensivieren, wofür die neue Bundesregierung bekanntermaßen genau nicht stehen wird". Dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) quasi in letzter Sekunde vor ihrem Abtritt derart weitreichende und "unsere Gesellschaft massiv polarisierende Aktionen im Akkord" nacheinander "durchziehen" wolle, sei "wirklich infam und vollkommen verbohrt", so Schuster

Kritik an den Aufnahmen kommt auch aus der CSU. Deren Generalsekretär Martin Huber warf Baerbock (Grüne) in diesem Zusammenhang in der "Bild am Sonntag" ein "unanständiges" Verhalten vor. Baerbock ziehe "rücksichtslos ihre eigene Ideologie" durch.

Zuspruch von der Linken

Linken-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling stellte sich dagegen hinter das Vorgehen der geschäftsführenden Bundesregierung. "Wenn die deutsche Regierung jahrelang Ortskräften Verträge gibt und sie beschäftigt, hat sie auch eine Verantwortung", sagte er in Berlin. Baerbock habe "an der Stelle mal was richtig gemacht".

 

Die Wellen der Empörung schlagen hoch. Der Grund: In Kürze sollen offenbar mit drei Flügen nochmals gefährdete Afghan*innen nach Deutschland gebracht werden. Auf entsprechende Medienberichte reagierten Politiker der Union aufgebracht. So findet Sachsens Innenminister Armin Schuster, der »politische Anstand« gebiete es einer geschäftsführenden Bundesregierung, »maßzuhalten«. Dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) »Sekunden vor ihrem Abtritt« so weitreichende und »unsere Gesellschaft massiv polarisierende Aktionen im Akkord« durchziehen wolle, sei »wirklich infam und vollkommen verbohrt«, sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur.

Die Bundesregierung wies demgegenüber darauf hin, dass Aufnahmezusagen für als schutzbedürftig eingestufte Menschen aus Afghanistan rechtlich verbindlich und somit einzuhalten seien. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Montag in Berlin, alle Betroffenen müssten sich vor ihrer Aufnahme einer strengen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Weitere Aufnahmezusagen würden nicht erteilt.

Die Aufnahmezusagen an Afghan*innen und die Flüge erfolgen im Rahmen des von der Ampel-Koalition im Oktober 2022 beschlossenen Bundesaufnahmeprogramms für frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen sowie weiterer Aufnahmeprogramme. Dabei geht es um Menschen, die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan 2021 als besonders gefährdet gelten, etwa wegen ihrer Aktivitäten als Menschenrechtsanwälte oder Frauenrechtlerinnen.

»Das Auswärtige Amt hat die wenigen diplomatischen Möglichkeiten mit den Taliban offenbar ausschließlich dazu genutzt, um Zigtausende Personen nach Deutschland zu holen anstatt sich um die Rückführung der Personen zu bemühen, die als Mehrfach- und Intensivstraftäter oder Islamisten jedes Gastrecht verwirkt haben«.»  Armin Schuster, Innenminister von Sachsen (CDU)

Nach Angaben einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) gibt es derzeit in allen Verfahren zusammen noch etwa 2600 Menschen, die bereits eine Aufnahmezusage haben. Einbezogen sind jeweils enge Familienangehörige. Ende März war ein Flugzeug mit 174 Afghan*innen an Bord in Hannover gelandet, die eine Aufnahmezusage erhalten hatten.

Die künftige Bundesregierung von CDU, CSU und SPD will laut ihrem Koalitionsvertrag «freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden». Armin Schuster, der für die CDU an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, räumte ein, dass mit den Aufnahmeprogrammen «in absoluten Zahlen nur wenige Personen kommen». Nach über zehn Jahren einer «nahezu ungesteuerten Migrationspolitik» träfen diese jedoch auf Kommunen, die, was Finanzierung und Unterbringung angehe, schon völlig überfordert seien. Auch die große Zahl einreisender Angehöriger mache deutlich, dass das Programm «aus dem Ruder gelaufen» sei.

Das AA habe unter Baerbocks Führung «die wenigen und komplizierten diplomatischen Möglichkeiten mit den Taliban offenbar ausschließlich dazu genutzt, um Zigtausende Personen nach Deutschland zu holen, anstatt sich um die Rückführung der Personen zu bemühen, die als Mehrfach- und Intensivstraftäter oder unverhohlene Islamisten jedes Gastrecht verwirkt haben», behauptet Schuster.

Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber und sein CDU-Kollege Carsten Linnemann nutzten die Gelegenheit zu Angriffen auf Baerbock. Linnemann behauptete am Montag im TV-Sender «Welt», er habe «gesehen», dass die Flüge teilweise «nicht einmal sicherheitsüberprüft» seien.

Laut dem Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan erhalten diese einen Aufenthaltstitel für vorerst drei Jahre. Ursprünglich war die Aufnahme von rund 18 000 Personen über das Programm vorgesehen. Bis zum November 2024 waren von diesen aber erst 964 in Deutschland angekommen. Der Weg zu einer verbindlichen Aufnahmezusage ist für die Betroffenen weit. Oft warten sie schon monatelang auf einen Termin etwa in der afghanischen Botschaft in Pakistans Hauptstadt Islamabad. In der Zwischenzeit laufen viele Gefahr, von Pakistan aus nach Afghanistan abgeschoben zu werden.

Ende 2023 hat Pakistan mit Massenabschiebungen von Afghan*innen begonnen. Seitdem haben nach offiziellen Angaben fast 900 000 Menschen das Land verlassen. Allein seit Beginn der jüngsten Abschiebewelle Anfang April kehrten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen mussten mehr als 127 000 von ihnen in ihr Herkunftsland zurück, 26 000 wurden demnach abgeschoben.

Seit dem Ablauf einer Frist zur freiwilligen Ausreise Ende März haben pakistanische Behörden damit begonnen, Geflüchtete festzunehmen und sie in Abschiebezentren zu verlegen. Langfristig plant die Regierung in Islamabad die Ausweisung von drei Millionen Afghan*innen. Viele von ihnen leben seit Jahrzehnten im Nachbarland.

 

In den gut drei Wochen bis zur erwarteten Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler sollen noch mehrere Dutzend Menschen aus Afghanistan aufgenommen werden. Und was kommt danach?

Mit Empörung haben Politiker der Union auf die Ankündigung weiterer Charterflüge für gefährdete Menschen aus Afghanistan nach Deutschland reagiert. Sie wollen die Aufnahmen, die über Pakistan laufen, nach dem Regierungswechsel beenden.

„Der politische Anstand gebietet einer geschäftsführenden Bundesregierung, maßzuhalten und nicht noch das zu intensivieren, wofür die neue Bundesregierung bekanntermaßen genau nicht stehen wird“, sagte Sachsens Innenminister, Armin Schuster (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.

Dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) quasi in letzter Sekunde vor ihrem Abtritt derart weitreichende und „unsere Gesellschaft massiv polarisierende Aktionen im Akkord“ nacheinander „durchziehen“ wolle, sei „wirklich infam und vollkommen verbohrt“, so Schuster.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dem Sender Welt TV: „Gut, da ist eine geschäftsführende Regierung im Amt. Wir können sie offenkundig nicht stoppen.“ Es sei aber klar, sobald die neue Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) gebildet sei, „werden diese Flieger aus Afghanistan nicht mehr kommen“. Merz soll, falls nach der CSU auch die CDU und die SPD dem Koalitionsvertrag zustimmen, am 6. Mai vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden.

Vor Kanzlerwahl im Mai noch mehrere Flüge

Nach Angaben eines Sprechers des sächsischen Innenministeriums sind in diesem Monat noch insgesamt drei Flüge für Afghaninnen und Afghanen von Pakistan nach Deutschland geplant: am kommenden Mittwoch solle eine Maschine in Leipzig landen. Zudem seien zwei weitere Flüge am 23. und 29. April vorgesehen. Per Flugzeug sollen sowohl ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen in Afghanistan als auch besonders gefährdete Menschen, wie etwa Menschenrechtsanwälte oder Frauenrechtlerinnen, nach Deutschland geholt werden.

Die bereits getroffenen Zusagen haben aus Sicht der Bundesregierung rechtlichen Bestand. In Hannover war Ende März ein Flugzeug mit 174 Afghaninnen und Afghanen gelandet, die eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten hatten. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen.“

Aktuell befinden sich nach Aussage des Auswärtigen Amts circa 2600 Personen mit Aufnahmezusagen in den verschiedenen Phasen des Ausreiseverfahrens. „Bereits erteilte Aufnahmezusagen im Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan sind verbindlich“, sagte eine Sprecherin. Weitere Zusagen würden derzeit nicht ausgesprochen. Über alles Weitere müsse dann die nächste Bundesregierung entscheiden. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, Menschen, die eine Zusage erhalten hätten, stehe in Deutschland der Verwaltungsweg offen.

Schuster sieht keine Kapazitäten für Aufnahme

„Mit den Aufnahmeprogrammen mögen in absoluten Zahlen nur wenige Personen kommen“, sagte Schuster. Nach über zehn Jahren einer nahezu ungesteuerten Migrationspolitik träfen diese Menschen jedoch auf Städte und Gemeinden, die, was Finanzierung und Unterbringung angehe, schon völlig überfordert seien. An erfolgreiche Integration sei schon lange nicht mehr zu denken. Auch die große Zahl von Angehörigen, die mit den als schutzbedürftig identifizierten Menschen einreisten, mache deutlich, dass dieses Programm aus dem Ruder gelaufen sei.

Abschiebungen kommen nicht voran

Schuster, der für seine Partei an den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen beteiligt war, kritisierte, das Auswärtige Amt unter der Leitung von Baerbock habe „die wenigen und komplizierten diplomatischen Möglichkeiten mit den Taliban offenbar ausschließlich dazu genutzt, um zigtausende Personen nach Deutschland zu holen, anstatt sich um die Rückführung der Personen zu bemühen, die als Mehrfach- und Intensivstraftäter oder unverhohlene Islamisten jedes Gastrecht verwirkt haben“. ...

 

 

Seit mehreren Monaten werden immer wieder Menschen aus Afghanistan mit Flugzeugen nach Deutschland gebracht - so auch heute. Im Netz führt das zu Hasspostings und Falschbehauptungen, auch gegen Merz und die CDU.

Am heutigen Donnerstag ist erneut ein Flugzeug mit etwa 174 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland gelandet, die über verschiedene Aufnahmeprogramme ein Visum erhalten haben. Nach Angaben der Bundesregierung sind ausschließlich Menschen dabei, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten hätten, neue Zusagen würden nicht gemacht. Bei den eingeflogenen Afghaninnen und Afghanen handele es sich um besonders gefährdete Menschen.

Bereits mehrmals wurden Menschen aus Afghanistan nach Deutschland eingeflogen. Im Netz wird das stets mit Hass, Hetze und auch Falschbehauptungen begleitet. So auch aktuell: "Wir wollen diese kulturfremden Sozialschmarotzer nicht!" oder auch "Liegt der rote Teppich für diese Invasoren schon bereit?", heißt es in den Kommentaren unter einem "Welt"-Artikel zu dem Flug.

Die Überschrift der "Welt" auf X: "Charterflug mit 190 Flüchtlingen erwartet - 2800 Afghanen warten noch in Pakistan". Darauf kommentiert der bayerische Landtagsabgeordnete der AfD, Richard Graupner: "In Deutschland warten über 400.000 #Afghanen auf ihre #Remigration."

Falsche Behauptungen im Umlauf

Im Zusammenhang mit einem Flug Ende Februar wurde fälschlicherweise ein Video verbreitet, das zeigen sollte, dass unter den 155 Menschen aus Afghanistan ausschließlich Männer gewesen sind. Allerdings waren in dem Video gar nicht die nach Deutschland eingeflogenen Menschen aus Afghanistan zu sehen, sondern mutmaßlich ein Flug aus der Türkei nach Afghanistan, wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt. Im Flieger nach Deutschland waren nach Angaben des Auswärtigen Amts mehr als die Hälfte der Passagiere Frauen und Kinder.

Auch die Verschwörungserzählung vom "Großen Austausch" wird im Zusammenhang mit den Flügen im Netz befeuert. Passend dazu wurde nach einem Flug im Februar die Falschnachricht verbreitet, Deutschland habe nach der Bundestagswahl die Grenzen geöffnet.

Das sei eine planmäßige Invasion Deutschlands, heißt es etwa in einem Post auf X, der über 20 Millionen Mal gesehen wurde. Die CDU und Wahlgewinner Friedrich Merz hätten ihre Wahlversprechen bereits gebrochen, schreibt ein anderer. Dabei sind sie derzeit noch gar nicht in der politischen Verantwortung, wie auch DW Fact check schreibt. Die Flüge wurden nämlich noch von der derzeitigen Bundesregierung geplant und sind Teil des Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan. Dies soll nun eingestellt werden. Dennoch kommen weiter Afghanen nach Deutschland.

Warum werden weiter Menschen aus Afghanistan ausgeflogen?

In Afghanistan werden unter dem Regime der Taliban weiter Menschenrechte gebrochen. Die Bundesregierung hat deshalb eigenen Angaben zufolge mehr als 45.000 besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen sowie ihren Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland in Aussicht gestellt. 

Dazu gehören ehemalige afghanische Ortskräfte und ihre Angehörigen, aber auch Menschen, die die Bundesregierung wegen ihres Einsatzes für ein demokratisches Afghanistan als besonders gefährdet identifiziert hat. Die Anzahl der vorgesehenen Aufnahmen ist dabei begrenzt, um die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit zu berücksichtigen.

Union und SPD hatten sich in ihren Sondierungsgesprächen zur möglichen Bildung einer Bundesregierung darauf verständigt, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme, wie das Afghanistan-Programm, "soweit wie möglich" zu beenden und keine neuen Programme aufzulegen.

Für rund 2.800 Menschen aus Afghanistan gibt es jedoch nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) noch Zusagen für eine Aufnahme in Deutschland. Laut Bundesinnenministerium handelt es sich um behördliche Entscheidungen, auf die sich Betroffene berufen könnten. Diese könnten sie gegebenenfalls auch einklagen.

Wie werden die Berechtigten ausgewählt?

Im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan wurde eine Struktur geschaffen, mit der infrage kommende Personen identifiziert und ausgewählt werden können. In der hierfür vom Bundesinnenministerium 2022 geschaffenen Aufnahmeanordnung sind mehrere Kriterien definiert, die für die Auswahl der Personen besonders berücksichtigt werden.

Dazu gehören personenbezogene Vulnerabilität, wie sie der Kriterienkatalog des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR definiert und besondere persönliche Exponiertheit, zum Beispiel durch Art und Dauer der Tätigkeit in Afghanistan, oder eine herausgehobene Position.  

Weitere Kriterien sind ein Deutschlandbezug, zum Beispiel durch Sprachkenntnisse, familiäre Bindungen, ehemalige Tätigkeiten für deutsche Behörden und Projekte oder Unterstützung durch deutsche Organisationen. Zudem kann ein besonderes politisches Interesse Deutschlands an einer Aufnahme eine Rolle spielen.  

Wie werden die Auswahlkriterien überprüft?

Im Gesetz sind meldeberechtigte Stellen definiert, die im Rahmen des Aufnahmeprogramms ihnen bekannte Personen, beziehungsweise ihnen durch verbundene, zuverlässige und vertrauenswürdige Organisationen bekannte Personen, für das Programm vorschlagen können. Einzelpersonen können sich dafür nicht bewerben. 

Die meldeberechtigte Stelle beziehungsweise die Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft könne die Anträge dann "plausibilisieren". Ist dies erfolgt, wählt die Bundesregierung aus den Vorschlägen Personen aus. Nicht ausgewählte Vorschläge verbleiben für künftige Auswahlrunden im Datenpool. 

Ein Dienstleister der Bundesregierung nimmt zu ausgewählten Personen Kontakt auf und fragt gegebenenfalls fehlende Unterlagen an. Bei Vorliegen der Voraussetzungen und aller Unterlagen erfolgt durch die Bundesregierung eine Entscheidung über die Erteilung einer Aufnahmezusage. 

Wird die Aufnahme in Deutschland genehmigt, übernimmt der Dienstleister das weitere Vorgehen, die deutsche Botschaft in Pakistan das Visumsverfahren und die Sicherheitsüberprüfungen. Während ihres Aufenthalts in Pakistan werden die aufzunehmenden Personen unterstützt. Vor dem Abflug werden noch einmal die Papiere und die Identität durch deutsche Bundespolizisten überprüft. 

Wurde das Ausreiseverfahren erfolgreich durchlaufen, wird die Einreise nach Deutschland durch die Bundesregierung organisiert. Die Integration wird unterstützt von Bund, Länder, Kommunen sowie privaten und öffentlichen Trägern von Integrationsmaßnahmen. 

Welche Rolle spielt die Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft?

Laut Bundesinnenministerium existieren in Afghanistan keine internationalen Organisationen, auf deren Expertise man im Rahmen des Aufnahmeprogramms zurückgreifen kann.

Um den Ablauf sicherzustellen, wurde die Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft geschaffen, die diese Aufgabe übernehmen soll. Es handelt sich also um keine deutsche Behörde, sondern um eine Nichtregierungsorganisation. 

Warum werden die meldeberechtigten Stellen geheim gehalten?

Die Informationen zu den aktuell zugelassenen meldeberechtigten Stellen sind von der Bundesregierung als "VS - Vertraulich" eingestuft worden. Dies sei im Hinblick auf die fortgesetzte Funktionsfähigkeit und Umsetzung des Verfahrens erforderlich, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag.

Das Bekanntwerden der Informationen könnte insbesondere zur Einflussnahme von Unbefugten auf den Auswahlvorgang genutzt werden. Die Offenlegung dieser Informationen sei damit geeignet, den Auswahlprozess nachteilig zu beeinflussen, heißt es weiter. 

Welche Kritik gibt es an dem Programm?

Der Auswahlprozess für das Aufnahmeprogramm wird immer wieder als intransparent kritisiert. So ist nicht öffentlich bekannt, welche Organisationen als meldeberechtigte Stellen fungieren und wie sie ausgewählt wurden. 

Staatsanwaltschaften in Berlin und Cottbus ermittelten zeitweise gegen leitende Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt. Ihnen wurde vorgeworfen, Visa-Anträge aus Afghanistan trotz gefälschter oder ungültiger Papiere genehmigt zu haben und somit Rechtsbeugung betrieben zu haben. Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück. 

Dem "Business Insider" liegt nach eigenen Angaben ein interner Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz vor, laut dem der Leiter, der für "Islamismus und islamistischen Terrorismus" zuständigen Abteilung 6, die Gefahr sieht, dass "eine Einflussnahme der pakistanischen oder afghanischen Behörden" auf die Aufnahmeverfahren erfolgt. Zudem erschwere eine "prekäre und teils unübersichtliche Dokumenten- und Urkundenlage" die Überprüfung.