12.06.2025 Nach einer Antwort von Außenminister Wadepuhl im Bundestag
"Wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein", sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) während einer Regierungsbefragung im Bundestag. (Zeit)
gab es Widerspruch aus den eigenen Reihen
„Wir haben im Koalitionsvertrag klar vereinbart, dass die freiwilligen Aufnahmeprogramme enden.“ Dazu gehöre auch die Neuansiedlung von Afghanen in Deutschland. „Unsere Priorität ist die Rückführung ausreisepflichtiger Personen, nicht die dauerhafte Aufnahme von Personen, die keinerlei Bezug zu Deutschland haben.“ Der CDU-Politiker betonte: „Neue Programme wird es nicht geben, und gegebene Aufnahmezusagen gehören auf den Prüfstand. In jedem einzelnen Fall muss geprüft werden, ob die Aufnahmezusage widerrufen werden kann, ob die Angaben der Afghanen und der sie vorschlagenden NGOs korrekt waren und ob die Sicherheitsprüfung durchgeführt wurde.“ (so der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, RP)
Kurz zuvor hatte Söder bei Lanz verkündet:
Es sei gut, „dass die Flüge aus Afghanistan, bei denen es am Ende nicht mehr um Ortskräfte ging, sondern um eine Zuwanderung, die über NGOs gesteuert wurde, dass das gestoppt wird“. (taz)
Wollen wir hoffen, dass es bei Wadepuhls möglicherweise unbedachter Ankündigung bleibt! Wir zitieren Texte mit Reaktionen:
- taz 06.06.2025: Aufnahmeprogramm für AfghanInnen Verwirrung um Aufnahmezusagen
- RP 12.06.2025: Flucht aus Afghanistan Schwarz-Rot und der Ärger um Aufnahmeprogramme
Hier im Wortlaut:
- taz 06.06.2025: Aufnahmeprogramm für AfghanInnen Verwirrung um Aufnahmezusagen
Außenminister Wadephul redet von Rechtsverbindlichkeit, ganz anders seine CDU-Kollegen. 2.500 Afghan*innen warten in Pakistan auf die Einreiseerlaubnis.
Berlin taz | Die Aussagen der CDU-Politiker zum Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen verwirren. Am Mittwoch hatte Bundesaußenminister Johann Wadephul im Bundestag überraschend gesagt, man wolle Aufnahmezusagen für afghanische Menschenrechtler*innen „selbstverständlich“ einhalten. Doch am Tag darauf wollten das auf taz-Anfrage weder Wadephuls Ministerium noch das ebenfalls zuständige Bundesinnenministerium bestätigen.
Wadephuls Äußerung war deshalb so aufsehenerregend, weil die Union bislang kaum eine Möglichkeit ausließ, Position gegen die Evakuierungsflüge für Afghan*innen zu beziehen. Sofort nach Amtsantritt der schwarz-roten Regierung von CDU-Kanzler Friedrich Merz wurden sie gestoppt. Im April sprach sich der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, dafür aus, auch bereits gegebene Aufnahmezusagen auf den Prüfstand zu stellen – mit dem Ziel, diese rückgängig zu machen.
Und erst am Dienstag hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ stolz verkündet: Es sei gut, „dass die Flüge aus Afghanistan, bei denen es am Ende nicht mehr um Ortskräfte ging, sondern um eine Zuwanderung, die über NGOs gesteuert wurde, dass das gestoppt wird“.
Hat Wadephul das alles am Mittwoch abgeräumt? Oder hat der Außenminister eine Ankündigung gemacht, die mit den anderen Ministerien und insbesondere Söders CSU nicht abgesprochen war?
Grüne und Teile der SPD nehmen die Zusage auf
Abgeordnete der Grünen und auch aus der Fraktion der mitregierenden SPD kündigten am Donnerstag jedenfalls an, Wadephul beim Wort zu nehmen. Hakan Demir von den Sozialdemokraten sagte der taz: „Ich freue mich, dass Außenminister Wadephul klarstellt, dass Aufnahmezusagen gehalten werden.“ Es brauche nun einen verlässlichen Zeitplan. Es sei stets die Position seiner Partei gewesen, Menschen mit gültigen Aufnahmezusagen schnellstmöglich nach Deutschland zu holen, ehe das Programm abgeschlossen werde. „Es ist traurig genug, dass über diesen Weg lange Unklarheit bestand.“
Die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir sagte der taz, sie gehe davon aus, „dass die Regierung rechtlich verbindliche Aufnahmezusagen einhält“. Sie war es, die Wadephul bei der Fragestunde im Bundestag auf die ausstehenden Evakuierungen angesprochen hatte. Sie gehe davon aus, dass Wadephuls Äußerung die Position der gesamten Regierung wiedergebe, sagte Gambir weiter. „Ich erwarte, dass sie bald ausgeflogen werden. Deutschland muss seiner Verantwortung gerecht werden.“
Sollte die Bundesregierung tatsächlich Ernst machen, hätte das Folgen für bis zu 2.500 Afghan*innen, die in der Vergangenheit eine Aufnahmezusage bekamen, nun aber noch in Pakistan ausharren. Dort haben sie bereits umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen, allein für die Reise zur deutschen Botschaft in Islamabad mussten sich viele von ihnen hoch verschulden.
Das Aufnahmeprogramm ist von 2022
Die Ampel hatte das Aufnahmeprogramm im Oktober 2022, ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban, eingerichtet, um besonders gefährdete Menschen aufzunehmen, darunter Aktivist*innen, Frauen in prekärer Lebenslage oder queere Personen.
Ursprünglich sollten bis zu 45.000 Personen aufgenommen werden, bis April wurden jedoch nur 1.400 Menschen nach Deutschland gebracht und weitere 2.500 bislang unerfüllte Aufnahmezusagen ausgesprochen. Das Programm gilt deshalb weithin als gescheitert.
Analyse | Berlin · Es gibt wenige Wege, über die Flüchtlinge legal nach Deutschland kommen können. Dazu gehören freiwillige Aufnahmeprogramme, die laut Koalitionsvertrag „soweit wie möglich“ beendet werden soll. Aussagen von Außenminister Wadephul dazu sorgten jüngst für Unmut. Doch worum geht es eigentlich genau?
Wenn es um die legalen Zugangswege nach Deutschland für Flüchtlinge geht, bleibt der Koalitionsvertrag an einer Stelle vage: „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen“, heißt es.
Was die Einschränkung „soweit wie möglich“ für die Praxis bedeutet, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sorgte Bundesaußenminister Johann Wadephul jüngst bei einer Regierungsbefragung im Bundestag nicht für mehr Klarheit. Eine Abgeordnete hatte zu dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan wissen wollen, wann die derzeit mehr als 2.400 Menschen, die mit deutscher Aufnahmezusage in Pakistan gestrandet sind, evakuiert werden. Der CDU-Politiker antwortete: „Dazu kann ich Ihnen kein konkretes Datum nennen. Aber da, wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein.“ In der Union soll diese Aussage für Unmut gesorgt haben. Denn ein kompletter Aufnahmestopp klingt anders.
Klar ist: Der Druck auf die Bundesregierung ist gerade bei den Themen Flucht und Migration erheblich. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kommunen stark belastet sind. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, fordert daher Bund und Länder zu weiteren Schritten für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen auf. „Die Kommunen sind weiterhin bei der Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen am Limit“, sagte er anlässlich der Innenministerkonferenz unserer Redaktion.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, stellte am Donnerstag gegenüber unserer Redaktion klar: „Wir haben im Koalitionsvertrag klar vereinbart, dass die freiwilligen Aufnahmeprogramme enden.“ Dazu gehöre auch die Neuansiedlung von Afghanen in Deutschland. „Unsere Priorität ist die Rückführung ausreisepflichtiger Personen, nicht die dauerhafte Aufnahme von Personen, die keinerlei Bezug zu Deutschland haben.“ Der CDU-Politiker betonte: „Neue Programme wird es nicht geben, und gegebene Aufnahmezusagen gehören auf den Prüfstand. In jedem einzelnen Fall muss geprüft werden, ob die Aufnahmezusage widerrufen werden kann, ob die Angaben der Afghanen und der sie vorschlagenden NGOs korrekt waren und ob die Sicherheitsprüfung durchgeführt wurde.“
Die SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur sagte indes: „Wir stehen zu unserer Verantwortung – und dazu gehört, dass bereits erteilte Aufnahmezusagen auch zur Einreise führen müssen.“ Mit Blick auf die rund 2.400 Menschen mit Aufnahmezusage aus dem Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan fügte die Sozialdemokratin hinzu: „Diese Menschen sind sicherheitsüberprüft, das Verfahren ist aufwendig und gründlich – aber sie haben eine Zusage und damit ein Recht auf Schutz.“ Natürlich gelte immer, dass alle Aufnahmeverfahren unter dem Vorbehalt der Sicherheitsprüfung und der Visumserteilung stünden. „Aber wir dürfen uns nicht aus der Verantwortung stehlen.“
Dass die Bundesregierung in Zukunft über das Ende einzelner Programme nachdenke, sei bekannt – „aber solange Menschen mit gültiger Aufnahmezusage warten, muss unser Handeln vom Prinzip der Verlässlichkeit geleitet sein, nicht von politischem Opportunismus“. Türk-Nachbaur betonte: „Wir lassen diese Menschen nicht im Stich.“
- Zeit 04.06.2025: Wadephul will gefährdete Menschen aus Afghanistan weiter aufnehmen
Es geht um 2.500 gefährdete Afghanen – Außenminister Wadephul will die Menschen nach Deutschland holen. Rechtlich verbindliche Aufnahmezusagen "halten wir ein", sagte er.
Auch die neue Bundesregierung will an den bereits getätigten Aufnahmezusagen für gefährdete Afghaninnen und Afghanen festhalten. "Wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein", sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) während einer Regierungsbefragung im Bundestag. Ein genaues Datum für die Ausreise der rund 2.500 Menschen nannte er nicht. ...