Verstärkt Abschiebungen nach Griechenland, doch GR will nicht zurücknehmen

20.05.2025 Nicht nur bei Nachbarstaaten entsteht Protest gegen den verschärften Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung. Auch Griechenland, als Erstaufnahmeland vielfach betroffen von möglichen Dublin-Abschiebungen aus Deutschland, setzt sich zur Wehr.

Nach der höchstrichterlichen Entscheidung von April 2025 solle das BAMF „Nichtvulnerable“, also besonders „junge, alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer“ nun wieder verstärkt nach Griechenland "rückgeführen", so schreibt das Innenmisterium an die Bundesländer. Ein belastbarer Rückführungsmechanismus solle gewährleistet werden. Mit Druck durch Leistungskürzungen und sogar -streichungen, wenn die Betroffenen Deutschland trotz Aufforderung nicht verlassen...

Griechenland dagegen denke derzeit gar nicht daran, mehr Geflüchtete zurückzunehmen. Schon nach dem Gerichtsurteil hatte die griechische Regierung betont, dass sie bei ihrer harten Linie bleiben werde. „Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren“, sagte Migrationsminister Makis Voridis. Ersuche aus Deutschland werde Athen zwar genau prüfen, ihnen aber „nicht besonders offen gegenüberstehen“, sagte Voridis.

Der Streit wird wohl in jedem Fall zu Lasten der Betroffenen gehen, die Schutz in Europa suchen und von dessen Regierungen nicht gewollt sind.

Wir zitieren die Süddeutsche Zeitung vom 19.05.2025:

Lange hat Deutschland Geflüchtete nicht nach Griechenland abgeschoben. Nun drängt das Innenministerium zu einem Kurswechsel. Die Regierung in Athen ist damit allerdings nicht einverstanden.

Die Bundesregierung will Geflüchtete wieder verstärkt nach Griechenland abschieben. In den vergangenen Jahren waren Rückführungen in das Land wegen der fragwürdigen Menschenrechtslage im griechischen Asylsystem weitgehend ausgesetzt. Die neue Praxis betrifft Geflüchtete, die in Griechenland bereits als Schutzsuchende registriert sind. Der Plan sieht auch Leistungskürzungen und sogar -streichungen vor, wenn die Betroffenen Deutschland trotz Aufforderung nicht verlassen. So geht es aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an die Länder von Anfang Mai hervor, das der SZ vorliegt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werde wieder Rückführungen nach Griechenland ermöglichen, heißt es sinngemäß in dem Schreiben von Innenstaatssekretär Bernd Krösser an die für Rückführungen zuständigen Staatssekretäre der Länder. Treffen soll der Plan besonders „junge, alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer“. Ausgenommen werden vulnerable Gruppen wie Familien, Frauen und Kinder oder auch erkrankte und ältere Männer.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Grundsatzentscheidung getroffen

Zu diesem Kurswechsel hat eine Gerichtsentscheidung geführt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am 16. April entschieden, dass  „nichtvulnerablen“ Migranten bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen drohen. Es wies die Klagen eines 34-jährigen Mannes aus dem Gazastreifen und eines 32-jährigen Somaliers ab. Die Grundsatzentscheidung ermöglicht eine Ablehnung solcher Asylanträge über diese Einzelfälle hinaus.

Für die Bundesregierung dürfte es allerdings schwer werden, ihre Pläne umzusetzen. Denn es droht Streit mit dem EU-Mitglied Griechenland und der Regierung in Athen. Die denkt derzeit nämlich gar nicht daran, mehr Geflüchtete zurückzunehmen. Schon nach dem Gerichtsurteil hatte sie betont, dass sie bei ihrer harten Linie bleiben werde. „Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren“, sagte Migrationsminister Makis Voridis. Ersuche aus Deutschland werde Athen zwar genau prüfen, ihnen aber „nicht besonders offen gegenüberstehen“, sagte Voridis.

Das Bundesinnenministerium will sich davon offenbar nicht beeindrucken lassen. Man gehe davon aus, dass die Bundesländer nun „vermehrt“ Rückführungen nach Griechenland organisieren müssten, heißt es in dem Papier. Zunächst seien die Personen aufzufordern, selbst nach Griechenland auszureisen. Dafür können die Behörden in bestimmten Fällen die Kosten übernehmen. Passiert das jedoch nicht, sind die Länder angehalten, die Ausreise „zwangsweise“ durchzusetzen. Um die Rückführungen möglichst „effizient zu gestalten“, sollen die Betroffenen in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder bleiben.

Griechenland gilt als wichtiges Transitland auf den Fluchtrouten nach Deutschland. Vielfach werden die Flüchtlinge dort registriert, reisen dann aber weiter. In 75 000 Fällen hat Deutschland im vergangenen Jahr an EU-Mitglieder Ersuchen gestellt, Migranten zurückzunehmen. Die größte Gruppe reiste über Griechenland ein (15 000 Fälle). Vollzogen wurden die Rückführungen aber nur in 22 Fällen.

Kanzler Merz hat seinen griechischen Kollegen bereits ermahnt

Das Innenministerium erwartet einen spürbaren Effekt der neuen Praxis. „In Erwartung künftig steigender Zahlen an Ausreisepflichtigen nach Griechenland“ werde das Ministerium bei den griechischen Partnern „auf die Gewährleistung eines belastbaren Rückführungsmechanismus hinwirken“, heißt es in dem Papier an die Bundesländer. Es war noch vor Alexander Dobrindts (CSU) Übernahme des Innenministeriums verschickt worden, deckt sich aber mit dem Kurs der neuen Regierung, die bereits die Grenzkontrollen verschärft hat. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte beim Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Berlin schon vergangene Woche gemahnt: „Die Sekundärmigration von Griechenland aus nach Deutschland muss sinken. Die Rückübernahmen müssen steigen.“

Erkennbar wird auch die Strategie der Behörden, den Druck auf die Menschen zu erhöhen, Deutschland „freiwillig“ zu verlassen. Ausdrücklich weist das Innenministerium die Länder darauf hin, dass „leistungsrechtliche Konsequenzen“ möglich sind, um „Bemühungen des BAMF und der Ausländerbehörden“ für verstärkte Rückreisen zu flankieren. Im Klartext: Wer der Ausreise-Aufforderung nicht nachkommt, muss damit rechnen, dass Leistungen gekürzt oder gar komplett gestrichen werden. Gewährt werden sollen künftig nur eingeschränkte Überbrückungsleistungen – und das auch nur für höchstens zwei Wochen. Nur in Härtefällen seien längere Zahlungen möglich.

In Deutschland sind die Asylzahlen derzeit rückläufig. Im vergangenen Jahr stellten 230 000 Menschen Erstanträge.