22.07.2025 aktualisiert: Wie epd und mehrere Medien berichten, hat die Bundesregierung gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
epd: Die Visaerteilung für eine Afghanin und deren Familienangehörige mit Aufnahmezusage in Deutschland wird jetzt ein Fall für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Die Bundesregierung habe am Montag Beschwerde gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli eingelegt, bestätigte eine Gerichtssprecherin am Dienstag auf epd-Anfrage. ... Mit Einreichung der Beschwerde laufe nun eine zweiwöchige Frist zur Begründung, sagte die Sprecherin. Wann sich das OVG mit der Beschwerde in dem Eilverfahren befasst, war zunächst noch nicht klar...
08.07.2025 Zum zweiten Mal bereits wurde der Bundesregierung von einem Gericht Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidungen attestiert, durch die sie populistisch die "Migrationswende" herbeiführen will. An bereits erfolgte Aufnahmezusagen für besonders gefährdete afghanische Menschen ist die Bundesrepublik rechtlich gebunden.
Die Bundesrepublik Deutschland muss einer afghanischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, denen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan Aufnahmezusagen gegeben wurden, Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen. (VerwG Berlin)
... Die Bundesrepublik müsse den Antragstellern die Visa erteilen. Zwar könne die Bundesrepublik bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Staatsangehörige beenden oder fortführen wolle. Sie könne während dieses Entscheidungsprozesses insbesondere von der Erteilung neuer Aufnahmezusagen absehen. Sie habe sich jedoch durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden. Von dieser freiwillig eingegangenen und weiter wirksamen Bindung könne sich die Bundesrepublik Deutschland nicht lösen. Auf diese rechtliche Bindung könnten sich die Antragsteller berufen. Zudem erfüllten die Antragsteller die weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung. Es seien keine Sicherheitsbedenken ersichtlich und ihre Identität sei geklärt... (VerwG Berlin)
Dazu Stimmen:
- Zeit 08.07.2025: Deutschland muss sich an Aufnahmezusage für Afghanen halten
Deutschland hat seine Aufnahmeversprechen an eine afghanische Familie zurückgezogen. Nun entschied ein Gericht, dass das nicht geht: Die Zusagen seien rechtlich bindend.
Deutschland muss einer afghanischen Familie aufgrund früher gegebener Zusagen Visa erteilen. Das entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren im Streit um das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen.
Die Bundesregierung habe sich "durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmebescheide rechtlich zur Aufnahme gebunden", teilten die Richter zur Begründung mit. Von dieser freiwillig eingegangen Bindung könne sich Deutschland nicht lösen.
Damit war der Eilantrag der Frau und ihrer 13 Familienangehörigen, die in Pakistan auf Visa warten, in erster Instanz erfolgreich. Das Auswärtige Amt ist nach der Entscheidung laut einer Gerichtssprecherin verpflichtet, sofort zu handeln. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
40 weitere ähnliche Klagen liegen vor
Dem Gericht liegen nach eigenen Angaben schätzungsweise etwa 40 unterschiedlich gelagerte Eilanträge und Klagen zu der Thematik vor. Über die Verfahren müssten jeweils unterschiedliche Kammern entscheiden, sagte die Sprecherin. Wann dies geschehe, sei unklar.
Die Hilfsinitiative Kabul Luftbrücke will mit Klagen die Fortsetzung des Aufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen erzwingen. Die Betroffenen hätten ihre Heimat verlassen, im Vertrauen auf deutsche Versprechen, sagte Sprecherin Eva Beyer im Juni.
2.400 Menschen warten in Pakistan auf Visum
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 waren verschiedene Aufnahmeverfahren für Menschen aus Afghanistan eingerichtet worden. Menschen wie Richter, Journalistinnen oder Künstler, die sich für Gleichberechtigung und Demokratie eingesetzt haben und deren Leben seither in Afghanistan gefährdet ist, können für die Aufnahme in das Programm von meldeberechtigten Stellen vorgeschlagen werden. Erhalten sie eine Zusage, müssen sie in Afghanistans Nachbarland Pakistan reisen und sich dort an der deutschen Botschaft einem offiziellen Visumverfahren und einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Erst dann können sie einreisen.
Derzeit warten nach Angaben des Auswärtigen Amts vom 20. Juni rund 2.400 Menschen auf ihre Ausreise. Die neue Bundesregierung von Union und SPD stoppte die Aufnahmeprogramme Anfang Mai. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert, dass die Betroffenen in Pakistan unter prekären Bedingungen leben und eine lebensbedrohliche Abschiebung nach Afghanistan befürchten müssten. Pakistan hat angekündigt, dass auch Menschen mit Aufnahmezusage bis zum 30. Juni das Land verlassen müssten.
Die Richter hoben in ihrem Beschluss hervor, dass die Bundesregierung frei darüber entscheiden könne, ob sie das Aufnahmeverfahren für afghanische Staatsangehörige beenden will – oder unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung denkbar ist. Auch könne sie von neuen Aufnahmezusagen absehen. Im vorliegenden Fall könnten sich die Betroffenen jedoch auf die gemachten Zusagen berufen.
- Tagesschau 08.07.2025: Verwaltungsgericht Berlin Bundesregierung muss Afghanen Visa erteilen
Die Regierung will eine afghanische Familie nicht in Deutschland aufnehmen - obwohl sie bereits eine Aufnahmezusage hat. Das ist rechtswidrig, entschied jetzt ein Berliner Gericht. Die Regierung muss die zugesagten Visa erteilen.
Die Bundesregierung muss einer Afghanin und ihrer Familie Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen, nachdem entsprechende Zusagen gemacht wurden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren im Streit um das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen entschieden.
Die Bundesregierung habe sich "Aufnahmebescheide rechtlich zur Aufnahme gebunden", erklärten die Richter zur Begründung. "Von dieser freiwillig eingegangen Bindung" könne sich Deutschland nicht lösen.
Damit war der Eilantrag der Frau und ihrer 13 Familienangehörigen, die in Pakistan auf Visa warten, in erster Instanz erfolgreich. Der Familie droht nach eigenen Angaben die Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan, wo ihr Leben unter der Herrschaft der radikalislamischen Taliban gefährdet sei. Dies wurde aus Sicht des Gerichts glaubhaft dargestellt.
Das Auswärtige Amt ist nach der Entscheidung laut Gerichtssprecherin verpflichtet, sofort zu handeln. Gegen den Beschluss kann jedoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Sollte die Behörde das tun, könnte es zu Verzögerungen kommen.
Hier die Pressemitteilung des Gerichts:
- Verwaltungsgericht Berlin: Pressemitteilung vom 08.07.2025: Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan: Aufnahmezusagen verpflichten zur Visumserteilung (Nr. 34/2025)
Die Bundesrepublik Deutschland muss einer afghanischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen, denen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan Aufnahmezusagen gegeben wurden, Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen. Das hat das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden.
Die Antragsteller sind afghanische Staatsangehörige, die sich derzeit in Pakistan aufhalten. Das im Oktober 2022 gestartete Bundesaufnahmeprogramm der Bundesregierung für Afghanistan sollte besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen sowie ihren Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland in Aussicht stellen, wobei die Anzahl der vorgesehenen Aufnahmen begrenzt ist. Aufgrund dieses Programms erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antragstellern im Oktober 2023 so genannte Aufnahmezusagen. Daraufhin beantragten die Antragsteller bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad, ihnen Visa für die Einreise ins Bundesgebiet zu erteilen. Dazu kam es bisher nicht. Mit ihrem gerichtlichen Eilantrag machen die Antragsteller geltend, sie hätten einen Anspruch auf Visumserteilung und könnten nicht länger in Pakistan bleiben. Ihnen drohe dort die Abschiebung nach Afghanistan, wo sie um Leib und Leben fürchten müssten.
Die 8. Kammer hat dem Eilantrag stattgegeben. Die Bundesrepublik müsse den Antragstellern die Visa erteilen. Zwar könne die Bundesrepublik bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Staatsangehörige beenden oder fortführen wolle. Sie könne während dieses Entscheidungsprozesses insbesondere von der Erteilung neuer Aufnahmezusagen absehen. Sie habe sich jedoch durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden. Von dieser freiwillig eingegangenen und weiter wirksamen Bindung könne sich die Bundesrepublik Deutschland nicht lösen. Auf diese rechtliche Bindung könnten sich die Antragsteller berufen. Zudem erfüllten die Antragsteller die weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung. Es seien keine Sicherheitsbedenken ersichtlich und ihre Identität sei geklärt. Schließlich hätten die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass ihnen eine Abschiebung von Pakistan nach Afghanistan drohe, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben bevorstehe.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Beschluss der 8. Kammer vom 7. Juli 2025 (VG 8 L 290/25 V)