Wegen Verweigerung der Flüchtlingsaufnahme: Berlin klagt gegen Seehofer

20.11.2020 Ob Seehofers konsequente Verweigerung der freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria durch Länder, Städte und Kommunen vor Gericht Bestand hat? Die Ankündigung der Klage durch den Berliner Senat erregte Aufmerksamkeit. Wir zitieren

  • die Abendschau des rbb vom 17.11.:

Griechische Lager Berlin klagt im Streit um Flüchtlingsaufnahme gegen Seehofer

Im Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen hat der Berliner Senat angekündigt, Klage gegen das Bundesinnenministerium zu erheben. Grund sei die Weigerung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gewesen, Berlin die Aufnahme von 300 besonders schutzbedürftigen Personen aus griechischen Flüchtlingslagern zu erlauben, teilte die Senatsinnenverwaltung am Dienstag mit.

Berlin wollte im Juli über ein Landesprogramm 300 Menschen aus griechischen Flüchtlings-lagern aufnehmen. Seehofer hatte das Vorhaben gestoppt. "Es geht um die grundsätzliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen das BMI das Einvernehmen zu Landesaufnahmeprogrammen der Länder verweigern darf", hieß es in einer Mitteilung.

Innensenator Geisel habe sich im August vergeblich an Seehofer gewandt und sich Mitte September selbst ein Bild von der Lage verschafft, hieß es weiter. Nach einem schweren Brand in dem Flüchtlingslager Moria hatte sich die Bundesregierung bereiterklärt, seine Hilfe auszuweiten und mehr Geflüchtete aufzunehmen. Separate Landesaufnahmeprogramme lehnt sie aber ab. Über verschiedene Bundesprogramme nimmt Deutschland rund 2.500 Geflüchtete aus griechischen Lagern auf.

 

  • den Tagesspiegel: mit Update vom 18.11.

Wegen abgelehnter Flüchtlingsaufnahme Berliner Senat klagt jetzt gegen Seehofer

Im Sommer sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer zwei Ländern ab, die mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen. Berlins Senat klagt jetzt dagegen. Thüringen zögert.

Thüringen hat sich der Klage Berlins gegen Bundesinnenminister Seehofer bisher nicht angeschlossen. "Die Meinungsbildung in der Landesregierung ist noch nicht abgeschlossen", sagte der Sprecher des Erfurter Justizministeriums, Oliver Will, dem Tagesspiegel. Berlin hatte am Dienstag entschieden, dass es gegen das Nein des Bundesinnenministeriums zu seinem Flüchtlingsaufnahmeprogramm klagen wird. Im Juli hatte Seehofers Haus dem Berliner Innensenator mitgeteilt, dass man die nötige Bundeszustimmung nicht erteilen werde. Wenig später ging ein entsprechender Brief nach Thüringen. Auch die Regierung des Freistaats und das Land Bremen wollen Hunderte Geflüchtete, vor allem von den griechischen Inseln, aufzunehmen. Dazu ist allerdings Grünes Licht des Bundes nötig. Vor allem in Thüringen hatte die SPD, Juniorpartnerin in der rot-rot-grünen Regierung Ramelow, die Aufnahmepläne des Grünen Justizministers immer wieder ausgebremst.

Senator Geisel: Klage ist geboten

"Nachdem Senator Geisel sich im August vergeblich an den Bundesinnenminister wandte und sich Mitte September selbst in Griechenland einen Eindruck von der Lage verschafft hat, ist nunmehr Klage geboten", hieß es in einer Erklärung der Senatskanzlei. Darin wird gleichzeitig betont, dass es ihr um mehr als dieses eine Programm zu tun ist. "Es geht um die grundsätzliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen das BMI das Einvernehmen zu Landesaufnahmeprogrammen der Länder verweigern darf."

Horst Seehofer (CSU) hatte das Berliner Programm mit der Begründung abgelehnt, es gefährde die Bundeseinheitlichkeit der Flüchtlingsaufnahme. Er sprach auch von einem nationalen Alleingang, der europäische Lösungen erschwere. Nach dem Aufenthaltsgesetz brauchen die Länder grünes Licht aus Berlin für solche Aufnahmen.

Kurz nach seinem Nein für Berlin schickte Seehofer einen Absagebrief auch nach Thüringen, das ebenfalls mehr Geflüchtete aufnehmen wollte, als der bundeseinheitliche Schlüssel vorsieht. Frühere Länderprogramme segnete Seehofers Haus dagegen ab, etwa das für geflüchtete Jesidinnen in Baden-Württemberg.

In Thüringen ist der grüne Minister Dirk Adams zuständig, in Berlin, das nun klagt, Innensenator Andreas Geisel von der SPD.

Die kleineren Berliner Koalitionspartnerinnen zeigten sich jedenfalls erfreut über den Senatsbeschluss. Bettina Jarasch, die Kandidatin der Grünen fürs Amt der Regierenden Bürgermeisterin zur nächsten Abgeordnetenhauswahl, sagte dem Tagesspiegel: "Es ist weder moralisch und politisch noch juristisch zu rechtfertigen, dass das Bundesinnenministerium einem Bundesland die humanitäre Hilfestellung für Menschen in Not verweigert."

Das Aufenthaltsgesetz gebe den Ländern viel mehr Spielraum dafür, als das Bundesinnenministerium ihnen zugestehen wolle, sagte Jarasch. So aber werde die Eigenstaatlichkeit der Bundesländer massiv eingeschränkt. "Das sollten die Bundesländer sich nicht gefallen lassen."

Linke: Ministerentscheidung führt Gesetz ad absurdum

Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, twitterte: "Gut so!" Sie hatte zuvor argumentiert, dass Seehofers Nein die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, eigene Landesprogramme aufzulegen, ad absurdum führe.